Außergewöhnliche Konzepte und Kampagnen sind deutlich einfacher zu gestalten, je klarer die Zielgruppe ist. Doch was, wenn die Zielgruppe so breit gefächert ist, dass praktisch jeder angesprochen werden soll? In der Lokalpolitik trifft genau das zu. Es sollen alle Menschen einer ganzen Region angesprochen werden, wirklich alle. Und wie man weiss, ist unsere Gesellschaft bunt und vielfältig, genauso wie die Meinungen und Geschmäcker. In der Politik gilt es daher, all diese unterschiedlichen Merkmale zu vereinen und jedem möglichst gerecht zu werden. Daher wird in der Gestaltung für die breite Masse oft auf bekannte Standards zurückgegriffen. Bunte Farben, große Bilder und unverbindliche Headlines – Hauptsache man eckt nicht an. Aber auch ein bisschen langweilig das Ganze. Schwierig wird es, aus dieser Lage herauszutreten und etwas eigenständiges, besonderes zu schaffen. Manuel Kreuzer ist jedoch genau das gelungen. Er entwickelte gemeinsam mit der Lokalpolitikerin Gudrun Donaubauer ein eigenes und so unverwechselbares Erscheinungsbild, das sich von altbekannten Mustern deutlich und erfrischend abhebt.

Unser DESIGNBOTE-Redakteur Julien Fincker wollte genaueres erfahren und durfte hinter die Kulissen blicken.

manuel kreuzer

Manuel Kreuzer, Foto: Florian Weichselbaumer

Hallo Manuel, Du durftest das Erscheinungsbild für die Lokalpolitikerin Gudrun Donaubauer gestalten. Wie kam dieser Kontakt zustande und was für ein Konzept hast Du entwickelt?

Ich kenne Frau Donaubauer schon länger. Unter anderem haben wir den Webauftritt der Stadt Hauzenberg gestalten und umsetzen dürfen. Den Zuschlag zu diesem Auftrag bekamen wir 2015, glaube ich, also in ihrer ersten Amtszeit als Bürgermeisterin. Letzten Sommer, auf einem Kindergartenfest, hat mich Gudrun Donaubauer spontan gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, ihren Auftritt zur Bürgermeisterwahl 2020 zu gestalten. Eigentlich hatte ich für mich vor einigen Jahren beschlossen, keine Aufträge zu Wahlwerbungen mehr anzunehmen. Aber bei Frau Donaubauer habe ich sofort zugesagt. Gudrun Donaubauer ist parteifrei, das heisst für mich, die Gestaltung, die Elemente und das Wording sind komplett frei von irgendwelchen Vorgaben oder geleitet von Design-Guidelines der Parteien, die meiner Meinung nach teilweise wirklich überarbeitungsbedürftig wären.

Im September 2019 haben wir uns dann, Gudrun Donaubauer, ihr Ehemann Dieter Drexl und ich, zum ersten unverbindlichen Briefing-Gespräch getroffen. Wir waren uns alle einig, es soll ein zurückhaltender, aber bestimmter Auftritt sein und er soll sich von dem Rest der Wahlwerbung, die man so kennt, abheben. Wir sind alle sehr motiviert und positiv gestimmt aus dem Gespräch rausgegangen und ich hatte wirklich richtig Bock, den Auftrag zu bearbeiten und aus Gudrun Donaubauer eine Marke zu machen – auf meine Art, passend zur Person.

Dazu muss man ja den Kern der Person erforschen, um ihren Charakter herausarbeiten zu können. Was hast Du getan und wie bist Du dabei vorgegangen, um sie besser kennenzulernen?

In die Forschung bin ich nicht eingestiegen (lacht). Wie eingangs schon erwähnt, arbeite ich schon lange für die Stadt Hauzenberg. Außerdem habe ich von 2004 bis 2014 das Hauzenberger Stadtmagazin »ui« gestaltet und mit herausgegeben. Durch die Aufträge und auch durch das Magazin habe ich Frau Donaubauer schon recht gut kennenlernen können und schätzen gelernt. Wir haben uns aber auch vor Beginn der Gestaltungsarbeit viel ausgetauscht und ich hatte die Ehre, Frau Donaubauer fotografieren zu dürfen. Beim Fotografieren von Personen gehen mir viele Gedanken durch den Kopf und man lernt die portraitierte Person dadurch auch noch besser kennen. Das ist oft schon eine sehr vertrauensvolle Situation. Trotzdem: Unser erstes Briefing-Gespräch war schon extrem zielführend. Wir haben uns in unseren Vorstellungen und ersten Ideen sehr ergänzt, somit war das ein guter Grundstock für eine ehrliche und zielführende Kommunikation.

manuel kreuzer

manuel kreuzer

Das Konzept unterscheidet sich visuell sehr stark von allem bekannten, was das Thema Wahlinformation und Lokalpolitik angeht. Wie kamen die ersten Entwürfe bei der Kundin an? Wie hast Du sie von Deinem Konzept überzeugen können?

Mir war wichtig, dass der Auftritt offen, freundlich und kompetent auf die Betrachter wirkt und sich eben von dem Rest abhebt. Prägnant dabei sind die ausnahmslosen Schwarz-Weiß-Portraits von Frau Donaubauer. Der Hintergrund ist immer weiß. Es gibt keine Texte, die etwa durch farbige Balken hinterlegt sind und die ausgewählte Farbe – neben schwarz – wird als Akzent- und Rahmenfarbe eingesetzt. In meinen Arbeiten lege ich sehr großen Wert auf die Wahl der Schrift. Dabei war mir die Offenheit der Buchstaben ein besonderes Anliegen. Auch nach einer gewissen »Vertrautheit« in der Optik der Schrift für den Betrachter habe ich gesucht. Für mich kam die Times etwa nicht in Frage, aber ich stieß in meiner Recherche auf die Ivar von Göran Söderström. Diese Schrift ist von der Anmutung und der robusten Konstruktion der Times beeinflusst. Ivar hat mich angesprochen, sie wirkt zeitgemäß, ist offen, ist zuverlässig und robust und sie bestand damals aus drei optischen Größen, wobei der Display-Schnitt sehr gut bei großformatigen Plakaten eingesetzt werden konnte. Der Ivar stellte ich die sehr offene, von Anthony Sheret und Edd Harrington gestaltete, serifenlose Aperçu dazu. Die beiden Schriften wirken in Kombination sehr elegant, nicht aufdringlich, aber bestimmt.

Ich habe Frau Donaubauer das Konzept, angewandt auf Drucksachen wie Briefpapier, Visitenkarten und Großformat-Plakaten vorgestellt und wir haben es bis auf eine nuancenreiche Anpassung der Akzentfarbe alles genau so umgesetzt, wie präsentiert. Sie hat sich von Anfang an sehr wohl mit dem Auftritt gefühlt, das sie mir während der Wahlkampfzeit auch immer wieder bestätigte. Das uneingeschränkte Vertrauen, das sie in mich und meine Arbeit gesetzt hat, war unglaublich. Insofern war dieses agile Projekt für mich nicht stressig, sondern eher entspannt und es hat wirklich richtig Spaß gemacht.

Wir haben dann auch gleich mit der Gestaltung der Webseite angefangen. Die technische Umsetzung übernahm dabei Simon Malz vom Büro Lichtsignale, dem ich an dieser Stelle auch sehr für die hervorragende Zusammenarbeit danken möchte. Die Webseite sollte zuallererst das einzige digitale Medium sein. So haben wir auch ein Formular auf der Startseite eingerichtet, über das Bürgerinnen und Bürger Fragen an die Bürgermeisterin stellen konnten. Diese wurden dann zeitnah von ihr beantwortet und auf der Seite veröffentlicht. Im Projekt-Verlauf kam der Wunsch vom Wahl-Team auf, dass wir noch eine Facebook-Seite erstellen sollten. Das haben wir dann auch direkt umgesetzt und die Entscheidung war richtig. Die Interaktionen auf Posts waren hoch und positiv.

Du hast eben erwähnt, dass auf die Auswahl der Akzentfarbe besonders großen Wert gelegt wurde. Im Prinzip sind alle Farben bereits durch Parteien belegt, Frau Donaubauer ist jedoch parteilos. Weshalb fiel die Wahl im Endeffekt auf das entsättigte Rot? Spielte ihre politische Richtung eine Rolle?

Ja, das stimmt. Mein erster Gedanke war: „Das machen wir alles schwarz-weiß!“ Aber in der Konzeption war mir schon schnell bewusst, dass wir eine Farbe benötigen, um Kontraste zu schaffen und um positive Emotionen in die Gestaltung zu bekommen. Gudrun Donaubauer ist nicht schwarz-weiß. Sie ist nicht hart. Sie ist nicht kompromisslos. Im Gegenteil.

Eigentlich ist die Wahl der »Lachsfarbe« lustig. Beim Fotoshooting hatte Frau Donaubauer ihre Lieblingsbluse dabei, diese hatte annähernd diese Farbe, die wir dann auch schlussendlich als Akzentfarbe ausgewählt hatten. Nicht wirkliche eine politische Entscheidung, aber irgendwie dann doch auch wieder.

Insbesondere der Wahlinformations-Flyer im Zeitungsformat sticht hier besonders heraus. Eine gelungene Abwechslung zu den sonst sehr eintönigen DIN lang Flyer mit zu vielen Bildern und Farben. Wie bist Du auf diese Idee gekommen und wie hat sich diese im Projektverlauf weiterentwickelt?

Dankeschön. Ja, das war uns in der Tat ein Anliegen, dass wir nicht unzählige Wahlunterlagen verschicken, sondern eine Wahlinfo, die aber großzügig gestaltet und mit relevanten Themen gefüllt ist. Dabei war mir schnell klar, dass es ein großes Format werden sollte. Erstens, damit ich die Inhalte gut strukturieren, mit viel Weißraum gestalten kann und zweitens, die Texte auch groß genug setzen kann, damit diese auch von Menschen höheren Alters sehr gut lesbar sind. Außerdem war mir bei der Wahlzeitung wichtig, dass wir keine Stockbilder zu Themen einsetzen oder gestellte Themenbilder mit Frau Donaubauer machen. Frau Donaubauers Ehemann ist Architekt und Künstler. Seine »Zeitgesichter«, wie er die Zeichnungen auf seiner Webseite nennt, haben mich sehr angesprochen und ich habe ihn gebeten, zu bestimmten Themen auch in ähnlichem Stil Bilder zu illustrieren. Er war nicht von Anfang an hoch begeistert, er meinte, er traut sich das nicht zu, aber ich bin sehr froh, entsprechend hartnäckig gewesen zu sein. Dieter Drexl schenkte die Zeichnungen letztendlich seiner Frau zu Weihnachten. Eine nette Nebengeschichte mit toller Wirkung.

manuel kreuzer

manuel kreuzer

Wir haben versucht, die Wahlwerbung auf das Minimum zu reduzieren, aber wir wollten auch nichts auslassen. Neben dem Onlineauftritt und Social Media gab es fünf Schaltungen auf einer Großfläche in Hauzenberg, eben diese oben erwähnte Wahlzeitung, fünf Print-Anzeigen, zweiundzwanzig A1-Plakate und zur Stichwahl einen 2-seitigen Wahlbrief an alle Haushalte.

Wie waren die Resonanzen der Zielgruppe? Und war die Wahl ein Erfolg?

Die Resonanz war durchwegs positiv, das darf man sagen. Klar gibt es immer welche, denen diese Art des Auftritts nicht gefällt, aber wir wurden oft sogar persönlich auch beim Einkaufen darauf angesprochen, dass der Auftritt von Gudrun Donaubauer sehr sympathisch wirkt und gut ankommt. »Des is amoi wos anderes!«

Aufgrund von vier Bürgermeisterkandidatinnen und -kandidaten war es abzusehen, dass es eine Stichwahl zwischen Frau Donaubauer und dem bisher 2. Bürgermeister, mit der CSU im Hintergrund, geben wird. Es war ein knappes Rennen, aber am Ende hat sich Frau Donaubauer in der Stichwahl mit über 53% ihren Bürgermeisterstuhl im Rathaus für weitere sechs Jahre gesichert. Der Einsatz aller hat sich also gelohnt und am 29. März 2020 viel uns allen ein Stein vom Herzen und wir waren überglücklich. Leider hat es aufgrund von Corona keine Wahlparty gegeben. Diese holen wir sicher noch nach.

Deine eigene Handschrift ist auch in diesem Projekt wieder stark zu erkennen. Du legst generell einen sehr starken Fokus auf gute Typografie, reduzierte Farben. Warum wählst Du gerne diesen Weg? Was sagt es für Dich aus?

Ich bin der Meinung, dass eine gut gewählte, passende Schrift schon viel transportiert. Das ist die »halbe Miete«. Daher nehme ich mir zu Projektbeginn auch mehr als ausreichend Zeit für die Schriftrecherche und die Auswahl. Mit dem Rest der Konzeption bin ich dafür umso schneller, wenn ich weiß, dass die einzusetzenden Schriften für das jeweilige Projekt perfekt sind.

Farben reduziert einsetzen, dafür akzentuiert und ganz bewusst, strahlt für mich ein Selbstbewusstsein aus, als Gestalter verzettelt man sich weniger und hebt sich gleichzeitig oft von Mitbewerbern ab. Außerdem wird der Fokus dadurch auch sehr auf den Inhalt gelegt. Auch speziell in der Wahlwerbung mit wenig Farbe auszukommen war wichtig, damit Frau Donaubauer, keiner Partei zugeordnet werden kann, sie ist parteifrei, und sie hat mit ihrem Auftritt einen Kontrast zur üblichen Wahlinformation darstellt.

Manuel, vielen Dank für die Einblicke hinter die Kulissen dieses Projekts und Deine Arbeitsweise. Wir sind schon gespannt auf Deine nächsten Projekte und wünschen Dir weiterhin viel Erfolg!

Weitere Infos zu Manuel Kreuzer findet Ihr hier: https://mkreuzer.de/

Autor:

Das Interview führte unser freier DESIGNBOTE-Redakteur Julien Fincker, der immer auf der Suche nach interessanten Projekten und Persönlichkeiten ist. Hast Du ein spannendes Projekt oder Thema über das Du gerne sprechen möchtest? Dann melde Dich gerne unter redaktion@designbote.com

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