Künstliche Intelligenz im Jahr 2025, besonders generative KI, hat in den vergangenen Jahren riesige Fortschritte gemacht und verändert, wie Designer*innen arbeiten. Das Thema ist zurecht omnipräsent und die Branche experimentiert schon gezielt mit KI. DESIGNBOTE wollte wissen, mit welchem Ergebnis und sprechen dazu in loser Folge mit Kreativen und Designer*innen über ihre Erfahrungen. Heute mit Mike Zeiler, UI/UX Lead bei ARTUS Interactive.
Welche Chancen bietet KI für die Kreativbranche?
Künstliche Intelligenz ist der spannendste und größte Umbruch, den ich bisher innerhalb meines Berufs erlebt habe. Unser kreatives Toolkit ist quasi über Nacht explodiert. Dinge, die vorher nur über Umwege erreichbar waren, liegen uns nun plötzlich zu Füßen. Das ist vor allem für die erste Phase von Projekten, wie beispielsweise der Konzeption, komplett irre, da der Output auf ein neues Level gehoben wird. Fotografie (tschüss halbwegs akzeptable Stockfotos!), Storyboards, bestimmte Ästhetiken oder Stile, von Illustration bis 3D, für Moodboards oder einen Design Draft: Wir können schneller das visualisieren, was wir uns vorstellen. Jeder Kreative kann zum Schweizer Taschenmesser werden, so dass wir im Team unabhängiger, kreativer und effizienter arbeiten können.
Wie siehst Du den aktuellen Stand der Gestaltung mit KI?
Es ist schon beeindruckend, was innerhalb kurzer Zeit alles möglich wurde und wie schnell sich einige Tools erfolgreich in unser Daily Business integrieren ließen. Neben den großen Plattformen wie Midjourney sind es vor allem die kleinen KI-unterstützten Features, die den Agenturalltag enorm verändert haben. Sei es Retusche mit Generative Fill in Photoshop oder vermeintlich banale Dinge wie automatisches Layer Renaming in Figma. Wo es hingegen noch hakt, sind KI-Tools, die komplette Projekte automatisieren sollen, z.B. Fotoshootings oder aufwändige 3D-Arbeiten für Produktfotos. Hier gibt es einige Anbieter, die viel versprechen, aber noch nicht die Qualität liefern können, die wir speziell für unsere Arbeit brauchen.
Welche Herausforderungen siehst Du bei der Nutzung von KI im Kreativprozess?
Ein eigenverantwortlicher und bewusster Umgang mit Künstlicher Intelligenz ist für mich entscheidend. Leider lässt sich durchaus beobachten, wie KI-Output – egal ob Text oder Bild – ab und an ohne weiteres Nachdenken für bare Münze genommen und ungefiltert weiterverarbeitet wird. Wir sollten nicht vergessen, dass wir die Experten sind. Entsprechend dürfen wir es uns nicht zu gemütlich machen. Die iterative Arbeit ist essenziell, um KI-Tools sinnvoll zu nutzen. Nur so erzielen wir die Qualität, die nötig ist und von Kunden gefordert wird.
Wie verändert KI Deine Arbeit? Und wie entwickelt man dabei eine eigene Handschrift?
Die integrierten KI-Features der etablierten Tools tragen enorm dazu bei,
dass ich im Bereich UI/UX sehr viel effizienter arbeite. Sei es Figma, wo sich UI/UX-Projekte dank der letzten Feature-Updates schneller und vor allem sauberer umsetzen lassen, oder Photoshop, das dank Generative Fill beispielsweise Retuschearbeiten erheblich beschleunigt. Meine eigene Handschrift hat sich dementsprechend nicht sonderlich verändert, da ich den Fokus bei der Arbeit mit KI-Tools vor allem auf effizientes Arbeiten setze.
Welche KI-Tools kannst Du empfehlen?
Mein Standard-Repertoire umfasst aktuell die üblichen Verdächtigen: Midjourney, Runway, ChatGPT und Perplexity. Außerdem natürlich alle Built-in-Tools in der Adobe Creative Cloud und Figma. ChatGPT nutze ich vor allem für Brainstorming-Sessions und allgemein als Sparringspartner. Perplexity hingegen ist meine Go-to-Plattform für Recherche. Midjourney und Runway setze ich für Content Creation ein.
Spannend für Content Creation ist auch KREA. Die letzten Updates des Tools zur KI-Echtzeit-Bild- und KI-Videogenerierung sind wirklich stark. Besonders das Realtime-Feature sehe ich als echtes Powertool, um aktiv in die Komposition der generierten Bilder einzugreifen. So hat man als Kreativer noch mehr Einflussnahme auf das Ergebnis. Das gilt insbesondere im Vergleich zu Midjourney, wo das Prompting selbst für Geübte gelegentlich eine Herausforderung darstellt.
Bei UI/UX-Projekten nutze ich gerne UX Pilot für eine schnelle Ideation und um dem Blank-Page-Syndrom entgegenzuwirken. Außerdem teste ich aktuell einige Tools, um Fotoshootings, 3D-Arbeiten oder aufwändige Retusche für Produktbilder zu ersetzen. Hier gibt’s noch keinen Gewinner, aber wenn man mit Claid ein wenig experimentiert, lassen sich schon akzeptable Ergebnisse erzielen, auch wenn der zeitliche Aufwand noch nicht im Verhältnis steht und viel manuelle Retusche notwendig ist.
Welches Beispiel für gelungene kreative Arbeit, die mit KI umgesetzt wurde, fällt Dir ein?
Wenn es um Art Direction geht, sind für mich die Arbeiten des in Barcelona ansässigen Designer-Duos Boldtron die absolute Messlatte. Die beiden Geschwister zeigen, wie man mit KI die eigene Handschrift auf ein neues Level heben kann, ohne sie über Bord zu werfen und sich neu erfinden zu müssen. Eine spannende Kampagne rund um Datenanalyse und -visualisierung ist auch „Never Done Evolving“ von AKQA für Nike, bei der die Agentur Tennisspiele von Serena Williams aus den Jahren 1999 und 2017 mithilfe von KI analysierte. Anschließend ließen die Macher Serenas junges Ich in über 130.000 Spielen gegen ihr späteres Ich antreten, um ihre sportliche Entwicklung zu visualisieren.
Auf was müssen Kreative im Umfang mit KI besonders achten, damit das Ergebnis gut wird?
„Give shit in, get shit out.“ Gedanken lesen kann Künstliche Intelligenz leider noch nicht. Daher braucht es von Anfang an ein klares Ziel, das entsprechend in einem Briefing zu formulieren ist. Andernfalls wird das iterative Arbeiten, beispielsweise mit Midjourney, mühselig und zum mitunter stundenlangen Glücksspiel, bei dem man nur vielleicht ein akzeptables Ergebnis erzielt. Außerdem sollte aktiv etwas gegen KI-Bias getan werden. Hier sehe ich leider immer noch viele Arbeiten, die klischeebehafteter nicht sein könnten.
Was rätst Du jungen Talenten, die mit KI experimentieren?
Natürlich gibt es großartige Beispiele von Künstlern, die exzessiv mit einem bestimmten Tool experimentieren, um ihre eigene Handschrift mit KI zu erweitern und das Beste herauszuholen – wie bei Boldtron der Fall. Generalisten empfehle ich jedoch, die Augen offen zu halten und möglichst viele Tools zu testen. Denn wir befinden uns immer noch in einer Übergangsphase, und viele Tools, die heute top sind, sind morgen vielleicht schon überholt. Auf dem Laufenden zu bleiben ist daher das A und O und auch wichtiger, als ein absoluter Experte in einem bestimmten Tool zu werden. Ich persönlich würde nicht allzu viel Zeit in ein bestimmtes Tool investieren, da ich davon ausgehe, dass diese immer zugänglicher werden und die Lernkurve dann deutlich schneller steigt.
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