Generative Künstliche Intelligenz hat in den letzten Jahren einen gewaltigen Sprung gemacht – und verändert bereits spürbar, wie Designer*innen arbeiten. Das Thema ist zu Recht in aller Munde, die Branche testet intensiv, was mit Künstlicher Intelligenz möglich ist. Doch was bringt das konkret? In einer losen Serie tauschen wir uns mit Kreativen über ihre Erfahrungen aus. Dieses Mal mit dabei: Augusto Santos, Director Creative Concept bei der Kreativagentur WongDoody.

künstliche intelligenz

Augusto Santos, Director Creative Concept bei der Kreativagentur WongDoody

Welche Chancen bietet KI für die Kreativbranche?

Deep-Learning-Modelle verkürzen die Zeit zwischen Idee und Umsetzung.

Sie geben uns etwas Kostbares zurück: Zeit.
Zeit, um dem verrückten Gedanken, der unschlagbaren Idee, dem, was uns ein bisschen nervös macht, nachzugehen. KI nimmt uns die harte Arbeit ab – die monotone, repetitive Arbeit – damit wir tiefer gehen können. Mehr fühlen. Mehr riskieren.

Wir sollten Künstliche Intelligenz nutzen, um menschliche Emotionen zu verstärken, nicht um sie zu verdrängen. Um Storytelling auf eine neue Ebene zu heben, nicht um es zu automatisieren. Denn die beste Arbeit – die Arbeit, die Menschen berührt – kommt immer noch aus Empathie, Intuition und Absicht.

Es geht nicht darum, was KI für die Kreativität tun kann. Es geht darum, was mutige Kreative tun können, wenn ihnen nichts mehr im Weg steht.

Wie siehst Du den aktuellen Stand der Gestaltung mit KI?

Es gibt eine riesige Auswahl an Design-Tools – einige brillant, andere eher Nischenprodukte.
KI ist zu einem dieser Schlagworte geworden – benutzt, um zu beeindrucken, um klüger oder genialer zu klingen. Aber die Wahrheit ist: KI hat ihre Grenzen.

Sie braucht immer noch Menschen, die Kreativität verstehen. Menschen, die etwas von Licht, Geschichten und Rhythmus verstehen. Menschen, die die richtigen Fragen stellen und den richtigen Instinkten folgen. Je mehr technisches Wissen und Gespür man hat, desto besser kann man sie steuern. Das ist kein Hexenwerk.

Richtig eingesetzt, kann es dir helfen, den besten Job deines Lebens zu machen. Falsch eingesetzt? Verlierst du dich in einem Labyrinth von Eingabeaufforderungen.

KI ist ein Werkzeug – und ein mächtiges. Aber sie ersetzt nicht die Kreativität, sie entfesselt sie.

Welche Herausforderungen siehst Du bei der Nutzung von KI im Kreativprozess?

Es gibt dieses Sprichwort: „Bei sich selbst fängt man zuletzt an.“  Das trifft es im Kern. Herausforderung, vor der wir stehen. Wir entwickeln die innovativsten Kampagnen. Wir kreieren, was als Nächstes kommt, noch bevor es zum Trend wird.

Ein neues Werkzeug in den eigenen Werkzeugkasten zu integrieren – da wird es kompliziert. Jeder von uns hat seine bewährten Wege, auf eine Idee zu kommen. Die guten, erprobten – und die chaotischen, wunderbaren Rituale der Kreativität. KI kann ein Co-Pilot sein – ein Werkzeug, das unseren Prozess herausfordert, schärft und vielleicht sogar beschleunigt oder kreativer macht. Es wird länger dauern, als wir denken, aber wir werden es schaffen. Schritt für Schritt.

Wie verändert KI Deine Arbeit? Und wie entwickelt man dabei eine eigene Handschrift?

Es ist schön zu sehen, dass KI den kreativen Prozess nicht ersetzt, sondern die Art und Weise verändert, wie wir uns darin bewegen. Sie beschleunigt die kreative Zwischenphase – das Hin- und Herwerfen von Ideen, das Ausloten neuer Richtungen, das Umschreiben von Texten und das Hinterfragen von Layouts.

Es ist, als hätte man einen kreativen Partner, der nie müde wird und immer eine gute Idee oder eine passende Alternative parat hat.

Wir haben es immer geliebt, uns vorzustellen, wie unsere kreativen Vorbilder an eine Idee herangehen würden: Was würde Dan Wieden sagen? Was würde Marcelo Serpa zu diesem Entwurf sagen?

Heute ist dieser Instinkt Teil des Prozesses – integriert und sofort verfügbar. Je mehr wir experimentieren, hinterfragen und neu interpretieren, desto klarer werden unsere eigenen Ideen. Es geht nicht nur darum, schneller zu sein. Es geht darum, mit mehr Fokus, mehr Perspektive und mehr von uns selbst zu arbeiten.

Und vor allem: KI hilft uns, sichere oder gewohnte Ideen hinter uns zu lassen. Denn die eigentliche Aufgabe von Kreativität ist nicht zu verschönern – sondern aufzufallen.

Welche KI-Tools kannst Du empfehlen?

Einer unserer Art Directors hat es am besten ausgedrückt: „Heutzutage gibt es für alles ein KI-Tool.“ In anderen Worten: Einfach nach dem suchen, was man braucht, ‚AI‘ dahinter setzen – und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass man fündig wird.“

Als visuell orientierter Kreativer experimentiere ich gern mit Prompts in unseren internen Tools. Es ist praktisch, intuitiv und direkt. Aber ich erkunde auch Plattformen wie Leonardo.AI und Midjourney – sie liefern ähnliche visuelle Ergebnisse und sorgen oft für unerwartete Inspirationen.

Am spannendsten finde ich, wie diese Tools beginnen, sich zu verbinden. Funktioniert ein Prompt nicht? Frag ChatGPT oder Gemini. Wirkt ein Bild zu starr, bring es in Runway oder Sora und lass es sich bewegen. Das Ziel ist einfach: inspiriert bleiben und den kreativen Fluss am Laufen halten.

Welches Beispiel für gelungene kreative Arbeit, die mit KI umgesetzt wurde, fällt Dir ein?

Inzwischen haben wir diesen kreativen Prozess in fast alles integriert, was wir tun: Porsche. Bonprix. Rolf Benz. Sie alle haben erlebt, wie KI Handwerk und Ideen an einen Punkt bringen kann, der sich anfühlt wie … der nächste Schritt. Das jüngste Beispiel? ‚The Best Agency‘ – die Preisverleihung hier in Deutschland. Sie haben uns beauftragt, ihre Kampagne zu gestalten. Ja, wir waren skeptisch. Eine 100% KI-generierte Kampagne? Das klang nach einer Spielerei. Und das Ergebnis? Es hat funktioniert. Die Visuals waren stark. Da konnte man einfach nicht widersprechen.

Aber der Punkt ist: Die Kampagne wurde nicht von KI gemacht. Sie wurde von Menschen gemacht, die wissen, wie man mit KI umgeht. Talentierte Art Directors, Texter, Motion Designer. Sie haben die richtigen Werkzeuge mit dem richtigen Gespür kombiniert – und etwas geschaffen, das Menschen wirklich bewegt.

Worauf müssen Kreative beim Einsatz von KI besonders achten, damit das Ergebnis gut wird?

Das hat sich nicht geändert und wird sich auch nie ändern. Kreative sollten Ideen nachjagen, als hinge ihr Leben davon ab.  Sie sollten alles tun, um die besten davon zum Leben zu erwecken. Künstliche Intelligenz ersetzt diese Wahrheit nicht – sie vervielfacht sie nur. Großartige Ideen haben heute bessere Überlebenschancen.  Nicht weil sie lauter sind, sondern weil die Werkzeuge stärker sind.

Nutze KI, um zu optimieren. Um zu gestalten. Um der Vision in deinem Kopf näherzukommen. Sei der Kurator, nicht der Mitläufer. Es ist weiterhin dein Geschmack, dein Stil, dein Instinkt. Die Entscheidung liegt bei dir. Werkzeuge ändern sich. Großartige Ideen bleiben.

Was rätst Du jungen Talenten, die mit Künstlicher Intelligenz experimentieren?

Try, Learn, Repeat.

Kreativagentur WongDoody

DESIGNBOTE – Künstliche Intelligenz im Jahr 2025