Umwege führen zum Design: Auch ohne klassisches Designstudium hat es Isabell Höffner in den Kreativbereich geschafft. Über diverse Stationen, u.a. bei Strichpunkt Design in Stuttgart und Berlin, leitet sie als jüngstes Mitglied des 4-köpfigen Managements seit 2019 als Chief Design Officer die Geschicke der auf digitale Produkte und Services spezialisierten Agentur 21TORR. Was Isabell Höffner inspiriert und was sie bei der Arbeit antreibt, erzählt sie uns hier.
Wie bist Du zur Kreation gekommen?
Über einen eingeplanten Umweg. Tatsächlich habe ich schon früh gemalt, gezeichnet, ausprobiert und experimentiert. Unternehmen habe ich mir anhand von Logos und deren Typografie eingeprägt und diese – vermutlich zum Leidwesen meiner Eltern – aus jeder Menge Zeitschriften ausgeschnitten und gesammelt. Während meiner Schulzeit habe in fast jeden Ferien einfach in Agenturen und Druckereien angerufen und um Praktika gebeten, bis ich während der Oberstufe parallel auch in einer Agentur gearbeitet habe. Eine gute Schule: Von Konzept, dem Anzeigenverkauf bis hin zu Text, Layout, Reinzeichnung und dem Ausfahren des fertigen Magazins mit dem Leiterwagen war alles mit dabei. Nach dem Abi mit Schwerpunkt Mediengestaltung war klar: Da muss es noch was anderes geben, was Design nicht nur beflügelt, sondern auch verkauft und klarmacht, warum Design für Unternehmen so wichtig ist. Anstelle des klassischen Designstudiums habe ich mich dann bewusst für einen Studiengang zu BWL/Unternehmensführung entschieden und diesen an der DHBW mit einer Agentur als Partnerunternehmen absolviert. Für mich der perfekte Match.
Auf welches Projekt bist Du besonders stolz?
Besonders stolz bin ich aktuell auf ein Projekt, das wir gemeinsam mit unserem Kunden Blum für die interzum 2021 entwickeln. Die Messethematik in Pandemiezeiten betrifft natürlich viele. Wir haben entschieden, nicht nur ein digitales Abbild der Messe zu bauen, sondern das, was den Messebesuch in „normalen“ Zeiten so besonders macht, ins Digitale zu transferieren: Die Produktpräsentation, das Flanieren vor Ort und der persönliche Austausch. Ein Team sowohl auf Kunden- als auch auf Partnerseite hat neben einer Messehalle am Hauptstandort, umfangreicher Contentproduktion, Präsentations- und Kommunikationsmaterialien u.v.m. einen digitalen Messe-Hub entwickelt. Dieser ermöglicht sowohl im Selbststudium als auch von Experten in Live-Sessions zielgruppenspezifische Messeinhalte präsentiert zu bekommen, sich auszutauschen und Produkt und Marke zu erleben. Weltweit performant und mit hohem Anspruch an Design, Usability und Performance. Im Team haben wir ein fantastisches Ergebnis entwickelt, bei dem sich jeder weit aus der eigenen Fachbereichszone bewegt hat. Richtig gutes Design entsteht eben immer an der Kreuzung. Und das Schönste: Dabei auch einfach jede Menge Spaß und Bock haben. Was für ein tolles Team. Wahnsinn.
Was war die schmerzhafteste Niederlage und Deine Erkenntnisse daraus?
Da gab es so Einige und das ist auch gut so. Wirklich schmerzhaft wurde es nur dann, wenn Dinge für mich gefühlt nicht nachvollziehbar gewesen sind. Ein bereits vorentschiedener Pitch z.B. oder die Altersfrage („du bist zu jung“). Ersteres lässt sich nicht beeinflussen, Letzteres löst sich meist mit Kampfgeist und durch Leistung. Was mich immer schmerzt, ist destruktives Feedback wie z.B. „Das Design kickt mich nicht, mach’s besser!“ Die Frage nach dem „warum“ bleibt offen und der Einstieg in einen Dialog zur Lösungsfindung auch.
Was ich daraus gelernt habe: Am meisten nimmt man oft auch aus weniger guten Erfahrungen mit oder man lernt, wie man Dinge selbst nicht machen oder wahrgenommen werden möchte. Sich treu bleiben ist wichtig und in meinem Fall zu lernen, eben nichts persönlich zu nehmen und stattdessen weiter an mir zu arbeiten. Gerade im Design ist das oft nicht leicht, steckt doch so viel Herzblut drin.
Viele Wege führen zu gutem Design. Und manchmal kann und darf es auch nicht mehr der Eigene sein. Vertrauen und konstruktive Kritik sind dabei extrem wichtig, denn es geht darum, Gedankenanstöße zu geben und Raum dafür, andere selbst den Weg zur Lösung bestreiten zu lassen.
Wie stark beeinflusst die Corona Pandemie Deine kreative Arbeit?
Ein Grundsatz bei uns ist „Talent over Location“: Die Frage, ob man lieber von zu Hause oder aus dem Büro arbeiten möchte, war daher bereits vor der Pandemie eine Individuelle. Seit Corona fehlt mir das Zusammenkommen im Office aber sehr, denn Kreativität lebt auch von Austausch. Neben dem gemeinsamen Kaffee v.a. der direkte, unkomplizierte Schnack zu Themen und das periphere Mitkriegen, was aktuell umtreibt. Da helfen Remote-Formate nur bedingt, weshalb ich in unserer Kleinbesetzung nach Möglichkeit auch mal ins Office gehe. Heute hat mir eine ehemalige Kollegin einen Link gesendet, für den Fall, in dem man das Büro vermisst: https://imisstheoffice.eu. Das teste ich direkt die Tage mal aus. 😉
Woran arbeitest Du derzeit?
Wir als Agentur entwickeln uns natürlich auch stetig weiter. Mit unserer in diesem Jahr zugespitzten Fokussierung in der Ausrichtung arbeite ich neben dem operativen Alltag und diverser Business-Themen vor allem daran, Designprozesse und Workflows zu optimieren und die Designteams unserer beiden Units – Web und App – in Know-how und Austausch näher zusammen zu bringen.
Kreative Vorbilder – Hast Du eins?
Das Arbeiten in interdisziplinären Teams und deren unterschiedliche Art von Kreativität hat für mich Vorbildcharakter. Strategen, Designer, Engineers: Diverse Denkmuster und Herangehensweisen beflügeln unheimlich. Wenn ich Namen nennen soll, sind es wohl die funktional innovativen Entwürfe der Eames, immer nach dem Learning-by-Doing-Prinzip und damals bereits nicht zum Selbstzweck, sondern nutzerzentriert entwickelt, die farbenfrohe Geometrie von Alexander Girard, der Minimalismus von Mies van der Rohe und die pure Exzellenz des Produktdesigns von Jonathan Ive. Die Liste lässt sich fortsetzen. Und ja, ich habe wohl ein Faible für Produktdesign und insbesondere für Stühle.
Inspiration – Wie kommst Du auf neue Gedanken?
Rausgehen und den Kopf lüften, neue Dinge lernen und lesen und vor allem auf Details achten: Ich erkunde neue Städte oder Landschaften gerne mit viel Laufen und fotografiere, was mich inspiriert. Das ist in der aktuellen Situation vermeintlich schwer, allerdings muss es gar nicht immer weit sein. Beim Spaziergang mit dem Hund bewusst einen anderen Weg nehmen oder die Veränderung des Bekannten z.B. durch die Jahreszeiten beobachten. Oder den Patenkindern zuschauen, wie sie aus scheinbar Nichts spielerisch Neues erschaffen. Besonders intensiv aktuell fotografiere ich nachts, vorausgesetzt natürlich, es gilt keine Ausgangsperre. Da gibt es keine Menschenmengen und trotzdem ist viel los.
Welche Rolle soll aus Deiner Sicht Design in der Gesellschaft einnehmen?
Wie Watzlawick schon sagte: Man kann nicht nicht kommunizieren. Design ist ebenso mehr als das, was man sieht: Alles, was wir benutzen, ist gestaltet. Als ganzes Erlebnis betrachtet, ist Design deshalb etwas Wunderbares: Richtig eingesetzt, kann es den Alltag erleichtern, Innovation beflügeln, zu mehr Nachhaltigkeit beitragen, uns zum Staunen, Nachdenken oder Schmunzeln bringen. Das sollten wir uns als Gesellschaft zu Nutze machen. Wir arbeiten gerade beispielsweise mit einem langjährigen Partner daran, durch die Smartifizierung eines physischen Produktes Mehrwerte in der Nutzung für Menschen zu schaffen. Wir sprechen dabei nicht nur viel mit Nutzern und Experten, sondern erproben die Design-Konzepte und Prototypen direkt, um wirklich sinnstiftende Features zu entwickeln, beispielsweise mit dem Einsatz von Stimme (Voice UI).
Was ist aus Deiner Sicht besonders spannend an Deinem Beruf und welchen Rat gibst Du jungen Menschen mit auf den Weg?
In meiner ersten Arbeitswoche als fest angestellte Designerin hatte mir meine damalige Vorgesetze, die ich bis heute für ihre Designgespür bewundere, gesagt: „Weißt du, was ich im Digitalen so spannend finde? Jeden Tag, wenn ich zur Arbeit komme, ist nichts wie gestern. Alles entwickelt sich und ich muss mich immer wieder darauf einlassen.“ Das ist mir im Gedächtnis geblieben. Und ich glaube, das trifft den Nagel auf den Kopf: Sich immer wieder auf neue Gegebenheiten einzulassen, Wandel und Technologie als Chance zu sehen, das macht unseren Beruf so unglaublich spannend. Sich in ein unbekanntes Problem einarbeiten, immer nach einer Lösung zu suchen, Dinge durch gutes Design einfacher und besser zu machen.
Ein guter Rat für Berufseinsteiger: Sucht nach dem, was euch glücklich macht, beruflich wie privat. Hört auf euch und auf euer Bauchgefühl, das liegt (fast) nie falsch. Straucheln ist normal, fallen auch. Wichtig ist, wieder aufzustehen. Sucht euch Personen, von denen ihr (im Guten wie im Schlechten) lernen könnt und nehmt von ihnen mit, was immer ihr könnt. Und zu guter Letzt ein verkürztes Zitat von (Achtung, ein Klischee: Steve Jobs), sozusagen mein Mantra: Don’t settle. Stay hungry. Stay foolish.
Auf was wird es künftig im Branding und Design noch ankommen?
Angefangen beim Unternehmen selbst bis hin zu uns Designern brauchen wir eine Bereitschaft zu echtem Neu-Denken. Neu-Denken heißt auch Loslassen und Ent-Lernen von tradierten Regeln und Mustern. Die Marke rückt in den Hintergrund, wir müssen Geschichten erzählen etc. Alles gut und auch richtig, aber vielmehr kommt es darauf an, künftig echten Mehrwert zu stiften, sich als Service-und Produktanbieter für Kunden zu sehen, welcher deren Probleme löst. Design kann hierbei eine wichtige Rolle spielen: Nachhaltige und nach vorne gerichtete Lösungen zu entwickeln beispielsweise. Im Kleinen wie im Großen. Und anstatt von Einschränkungen oder (scheinbar) komplexen Anforderungen zu sprechen, müssen wir Opportunitätsräume sehen. Ein Beispiel: Anstatt die Wartezeit auf ein teures Produkt als Einschränkung zu sehen, können wir diese im Sinne einer echten Designopportunität nutzen: Mit intermodalen Interfaces, angepasst ans Publikum und dessen Nutzung.
0 Kommentare