Julia Kühne hat Visuelle Kommunikation studiert und für Agenturen und Verlage im In- und Ausland in Projektleiterverantwortung gearbeitet. Seit 2008 ist sie Creative Director und gemeinsam mit Christian Schiller Geschäftsführerin von Gold & Wirtschaftswunder, Stuttgart. Darüber hinaus ist sie seit 2012 Professorin an der Hochschule Mainz im Fachbereich Gestaltung. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf medienübergreifender Designkonzeption. Julia Kühne ist Mitglied im ADC (Art Directors Club Deutschland und DDC (Deutscher Design Club).

Julia Kühne

Julia Kühne, Geschäftsführerin und Creative Director bei Gold & Wirtschaftswunder

Wie bist Du zur Kreation gekommen?

Das war ein bisschen über Umwege und Zufälle. Ursprünglich wollte ich Kamerafrau werden, ich glaub einfach, weil mir das Bild einer Frau mit Kamera in Hollywood so gut gefallen hat ;-). Ich habe dann über einen Kameramann, der mir von seinem Job abgeraten hat, eine Ausbildungsstelle in einer Werbeagentur in Stuttgart vermittelt bekommen und hatte sofort das Gefühl, das ist es. Das liegt sicher auch daran, dass ich Leute um mich hatte, die mir gezeigt haben, was mit Design alles möglich ist. Eine komplett neue Welt hat sich da aufgetan und klar, ich fand mich natürlich auch extrem cool im schwarzen Rollkragenpulli hinter dem bunten iMac in den 90ern… Ich habe dann noch an der Merz Akademie studiert, weil ich gespürt habe, dass es da auch eine konzeptionelle, eine strategische Komponente im Design gibt, die mich total reizt und über die ich mehr erfahren wollte. Auch da hatte ich super Glück mit meinem Professor, der mich sehr gefördert hat und auch in die Lehre gebracht hat. Letztlich sind es also eigentlich die Menschen gewesen, von denen ich umgeben war, die mich zur Kreation gebracht haben.

Auf welches Projekt bist Du besonders stolz?

Ich kann da sehr schwer ein einzelnes Projekt rausnehmen. Jedes hat seine eigenen Stärken. Besonders stolz bin ich dann, wenn ich merke, dass unsere Arbeit tatsächlich für die Menschen eine Veränderung schafft. Sie merken, hey, da hat sich jetzt wirklich etwas getan und ich bin Teil davon. Wie z.B. das Erscheinungsbild für den Verfassungsschutz Baden-Württemberg. Die hatten vorher, wenn überhaupt nur eine sehr diffuse Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Und mit unserer Arbeit haben wir es geschafft, sie aus der Blackbox rauszuholen und auch den Mitarbeitenden ein Erscheinungsbild zu geben, hinter dem sie stehen und mit dem sie sich identifizieren.

Worauf ich aber tatsächlich wirklich stolz bin ist, dass mein Co-Geschäftsführer Christian Schiller und ich es mit unserer Agentur an diesen Punkt geschafft haben: Ein Team aufzubauen, zu überlegen, welchen Weg man einschlägt, Entscheidungen zu treffen, die auch manchmal hart sind – das ist eine andere Herausforderung als angestellt zu sein. Aber am Ende des Tages weiß man: das ist alles Unseres, das haben wir geschafft und darauf kann man dann schon ein bisschen stolz sein.

Was war die schmerzhafteste Niederlage und Deine Erkenntnisse daraus?

Weniger ein einzelnes Ereignis. Was mich aber schmerzt ist, wenn ich das Gefühl habe, ein Projekt scheitert, weil es zu viele Missverständnisse gibt. Das passiert schon immer mal wieder. Ich habe gelernt, dass es (dann) meine wichtigste Aufgabe ist, genau zuzuhören. Und nicht von vornherein zu wissen, was die beste Lösung ist. Das fällt natürlich nicht immer leicht …

Wie gestaltest Du kreative Prozesse?

Wichtig ist für uns in erster Linie, dass wir ein tragfähiges Konzept entwickeln, das auf ein konkretes Kommunikationsziel gerichtet ist. Ein ausführlicher Recherche- und Analsyse-Part ist dafür unerlässlich; darüber hinaus stecken wir mit allen Beteiligten in Form von Workshops und Gesprächen die Ziele sorgfältig ab. Der gestalterische Prozess selbst läuft dann meistens im Ping Pong mit Christian und dem Team. Wir testen wirklich sehr viel aus und skizzieren schnell, ohne alles zu Ende zu denken und dann kreisen wir es auf 2-3 Routen ein, die wir dann weiterbearbeiten. Meist fängt es mit einer einfachen Grundidee an, eher so eine Art Gedanke oder ein Wort, weniger ein konkretes Bild. Es steht auch am Anfang gar nicht fest, was eigentlich das richtige Medium ist für eine Idee. Das kommt dann alles erst später. Wichtig ist auch, relativ früh im kreativen Prozess Tests zu machen. Im Team, mit Kund:innen, aber auch mit Probanden. Man ist ja manchmal etwas eitel mit den eigenen Entwürfen, das hab ich aber im Lauf der Zeit echt abgestellt: Wenn mir ein Design gefällt, dann heißt das nicht unbedingt, dass es auch bei den anderen so ankommt.

Was ich wichtig finde, ist, dass der kreative Prozess nicht mit dem fertigen Entwurf aufhört. Die Präsentation und der Roll-Out, das heißt, wie wird denn dann das Design vermittelt und zu den Leuten gebracht, sind mindestens genau so wichtig.

Inwieweit beeinflusst KI deine Arbeit?

Klar, das ist ein großes Thema. Ich habe allerdings keine Zweifel, dass es weiterhin kreative Menschen braucht, die Ideen entwickeln, sich neu in Themen reindenken und nicht Lösungen reproduzieren, die schon da waren. Wir nutzen bei uns in der Agentur KI durchaus in vielen Projektphasen und ich sehe, dass es handwerkliche Tätigkeiten teilweise ersetzt oder zumindest deutlich vereinfacht.

Bei mir hat sich aktuell allerdings so eine KI-Müdigkeit eingestellt. Die KI-Texte und KI-Bilder langweilen mich und wenn ich weiß, dass es mit KI erzeugt ist, dann habe ich nicht mal Interesse daran, es genau anzuschauen. Das ist etwas merkwürdig. Scheinbar spielt es also doch eine Rolle, dass man weiß, wie der Prozess hinter dem Text oder dem Bild ist und wer die Person ist, die es gemacht hat.

Generell bin ich aber auf jeden Fall der Meinung, dass wir uns gesamtgesellschaftlich unbedingt mit dem Thema beschäftigen müssen. Es bereitet mir Sorge, dass die Technologie scheinbar wieder in den Händen von einigen wenigen (männlichen) Playern ist, die die Regeln machen. Das hat schon bei Social Media extreme Folgen gehabt. Wir müssen aufpassen, dass wir das nicht wieder geschehen lassen. Das betrifft aber nicht nur die kreativen Berufe.

Woran arbeitest Du derzeit?

Neben der täglichen Arbeit an den Projekten beschäftigen wir uns im Moment sehr viel mit dem Thema Kultur in Unternehmen und Organisationen. Wir stellen fest, dass unsere Arbeit nur dann sinnvoll ist, wenn sie Teil eines größeren kulturellen Prozesses ist. Hier entwickeln wir im Moment Formate und Maßnahmen, die Unternehmen und Organisationen helfen können, die Kultur in ihren Unternehmen spürbar zu machen und sie nachhaltig zu verbessern. Das sichert dann auch langfristig Erfolg für kommunikative Maßnahmen und Design. Das Thema Kultur beschäftigt uns schon seit unserer Gründung, die ja mit einem Club, dem Rocker 33, angefangen hat. Hier haben wir hautnah erlebt, was Menschen zusammenbringt, was sie begeistert und mit was sie sich identifizieren können. Die Arbeit mit der Agentur und die Beschäftigung mit Kultur in Unternehmen und Organisationen ist für uns die logische Fortsetzung dieser Gründungsgeschichte.

Julia Kühne

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Kreative Vorbilder – Hast Du eins?

Eine Frau im Design, die ich sehr bewundere, ist Paula Scher. Ich liebe die Freigeistigkeit und „Boldness“ ihrer Projekte und bewundere den Weg, den sie als Frau gegangen ist. Aber das wechselt auch immer mal wieder und ich habe sehr viele kreative Vorbilder.

Inspiration – Wie kommst Du auf neue Gedanken?

Früher habe ich viele Designbücher gelesen und mich dadurch anregen lassen, das mache ich eigentlich kaum noch. Vielmehr inspiriert mich der Austausch mit Menschen – Gespräche, durch die ich neue Themen und Sichtweisen kennenlerne. Ich bin auch aus diesem Grund in diversen Netzwerken, wie z.B. dem ADC oder bei den DDC Women. Da geht es mir gar nicht so sehr um Business-Kontakte, sondern vielmehr um den Austausch.

Und dann schaue ich mir auch einfach wirklich viel an: natürlich auch nach wie vor Bücher, Ausstellungen, Filme, Musik, Menschen auf der Straße, da braucht es manchmal gar nicht viel und ich bin inspiriert.

Welche Rolle soll aus Deiner Sicht Kommunikation und Design in der Gesellschaft einnehmen?

Design und Kommunikation sind natürlich extrem wichtig, wenn es darum geht, Veränderungsprozesse zu begleiten und verständlich zu machen. Sehr oft erleben wir doch, dass eigentlich gute Ideen schlecht kommuniziert werden und deshalb nicht akzeptiert werden. Hier können wir als Designer:innen tatsächlich etwas bewirken.

Ich bin aber nicht der Meinung, dass Design die Welt retten kann. Das können nur Menschen.

Das ist aus Deiner Sicht besonders spannend an Deinem Beruf und welchen Rat gibst Du jungen Menschen mit auf den Weg?

Das wirklich Fantastische an unserem Beruf ist, dass man mit so vielen Themen und Menschen in Berührung kommt. Und dass unsere Arbeit den meisten Leuten Freude bringt und sie berührt. Meinen Studierenden und anderen jungen Menschen (die es hören wollen) würde ich einfach nur raten: Don’t stop the dance!

Credits Gold & Wirtschaftswunder

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