… kann als gebürtiger Franke unnachahmlich gut das „r“ in „kreative Köpfe“ rollen. Kann nicht: Eine spannende Quereinsteiger-Geschichte erzählen. Nach abgebrochenem Magister-Studium (lieber lernen in der Praxis!) verschlug es ihn mit 21 Jahren von Nürnberg nach München, um zunächst bei Serviceplan und anschließend bei Heye (heute DDB München) die ersten Gehversuche als Texter zu machen. Die Gehversuche mündeten 2011 in einen Marathon bei Jung von Matt/ Spree in Berlin, wo er nach weiteren vier Jahren als Texter 2015 Creative Director wurde. 2017 ergab sich die Chance, mit seinem Ex-JvM-Kollegen Lindsay Jönsson eine eigene Agentur zu gründen. Da eines seiner Credos ist, Chancen niemals liegen zu lassen, wurde im Dezember desselben Jahres „noga“ in Berlin gegründet.
Wie bist Du zur Kreation gekommen?
„Irgendwas mit Medien, Journalismus oder so“ – war eine Antwort, mit der ich gegen Ende meiner Schulzeit ziemlich konkret die Was-willst-du-eigentlich-werden-Fragen meiner Familie beantwortete. Das änderte sich in einer Schulstunde Deutsch-Leistungskurs, in der mein Lehrer relativ beiläufig von einem Bekannten berichtete, der als Werbetexter tätig war. Ich hatte bis dato noch nie vom Beruf „Werbetexter“ gehört. Ich wusste nur, dass es Grafik-Designer in Agenturen gab, konnte aber leider schon immer besser mit Worten als mit Farben und Formen. Der Begriff Werbetexter brannte sich mir so sehr ein, dass ich alles daran setzte, ebenfalls ein solcher Werbetexter zu werden. Step 1: Bewerbung bei der Texterschmiede in Hamburg. Ergebnis: Nicht angenommen. Step 2: Text-College München in Verbindung mit Praktikum bei Serviceplan. Step 3 – siehe Intro zu meiner Person oben.
Auf welches Projekt bist Du besonders stolz?
Als Co-Gründer von noga bin ich stolz, von Anfang an das Projekt „Aus der eigenen Agentur eine Marke zu formen“ angegangen zu sein. Das ist gar nicht so leicht. Wenn eine Agentur nicht auf eine bestimmte Disziplin spezialisiert ist und dadurch nicht von vornherein mit einem echten USP gegenüber anderen Agenturen auftrumpft, kann nur die Qualität der Arbeit und das Image, das sich die Agentur aufbaut, für eigene Relevanz sorgen. Das ist auch der Grund, warum für mich relativ schnell klar war, der Agentur keinen Anwaltskanzlei-Namen wie Amtmann & Jönsson zu geben, sondern von vornherein auf ein zeitloses Statement mit Haltung zu setzen, das uns selbst stetig dazu ermahnt, progressiv zu denken. noga steht für No German Angst. Heißt: Dinge nicht skeptisch kaputt denken, sondern wagen. So zum Beispiel eine meiner liebsten Arbeiten für unseren Kunden Eis.de. Um im Rahmen des „Masturbation Month“ Aufmerksamkeit auf das Thema Selbstbefriedigung zu lenken, setzten wir zusammen mit einer Sexualtherapeutin kurzerhand eine Petition an Gesundheitsminister Karl Lauterbach auf, die für die Bezuschussung von Hilfsmitteln zur Masturbation durch Krankenkassen plädiert. Sex Toys können nämlich nachweislich z.B. Stress abbauen und beim Einschlafen helfen und haben so eine gesundheitsfördernde Wirkung. Medien wie Sat.1, brigitte.de und weitere berichteten über die Petition, die uns bzw. unserem Kunden außer viel Recherche- und Umsetzungsarbeit keine Extrakosten bescherte. Viel Buzz für wenig Geld.
Was war die schmerzhafteste Niederlage und Deine Erkenntnisse daraus?
Zu erfahren, dass „Einfach mal machen“ im Sinne von No German Angst, nicht immer von Erfolg gekrönt sein muss. Wir haben 2021 ziemlich spontan eine weitere Firma gegründet, die sich auf digitales Live-Shopping fokussiert. Zu dieser Zeit gab es einen regelrechten Hype um das Thema, Firmen wie z.B. Bambuser aus Schweden, die Software für Live-Shopping anbieten, explodierten regelrecht. Auch wir wollten eine der ersten in Deutschland sein (gelogen: Wir wollten DIE ersten sein), die Teleshopping für eine junge Zielgruppe cool und lifestylig in die digitale Welt transportieren und entsprechend interpretieren. Nach sechs Monaten haben wir das Projekt wieder auf Eis gelegt, weil uns weder die richtigen Kanäle, noch die finanziellen Mittel zur Verfügung standen, um das Ganze sinnvoll fortzuführen. Als Niederlage sehe ich das ganze allerdings keinesfalls. Ich bin nach wie vor eher für „Machen, statt Dinge von vornherein kaputt zu denken“. Nur überstürzen muss man dabei nichts.
Wie gestaltest Du kreative Prozesse?
Ich bin kein Fan von „Chef entscheidet“, deshalb finden bei noga nahezu alle Entscheidungsprozesse demokratisch statt. Sei es bei Themen, die die Agentur selbst betreffen oder natürlich Abstimmungen zu kreativen Ideen, die es z.B. in einen Pitch schaffen oder nicht. Um auf diese Ideen zu kommen, diktiert die C-Level-Ebene bei noga den Mitarbeitenden nichts auf, sondern steckt am Anfang eines jeden Projekts einen sinnvollen Korridor ab, der Raum lässt, um darin nach links und rechts und oben und unten zu denken. Ob die Kreativen das vom Büro aus tun oder dafür auf einen Baum klettern, bleibt ihnen selbst überlassen.
Inwieweit beeinflusst KI deine Arbeit?
Die Ausgestaltung einer unserer letzten Pitches wäre ohne KI so nicht möglich gewesen. Es ging vor allem darum, anhand von OOH-Motiven die kreative Idee vorzustellen. Dank Midjourney konnten wir Visuals erzeugen, wie wir sie ohne KI niemals hätten für einen Pitch aufbereiten können. Daneben wird ChatGPT bei uns mittlerweile öfter zurate gezogen als Google. Außerdem sind wir in der glücklichen Situation, einen jungen Angestellten zu haben, der sich in den letzten zwei Jahren autodidaktisch in das Thema KI hineingearbeitet hat, noch bevor es zu dem wurde, was es jetzt ist. Er kommt fast täglich mit einem neuen Tool um die Ecke, dass er der gesamten Mannschaft vorstellt, so dass alle damit experimentieren können. Ergo: KI hat einen maßgeblichen und sehr positiven Einfluss auf den Workflow bei noga.
Woran arbeitest Du derzeit?
Wie bereits erwähnt, arbeiten wir stetig daran, aus noga eine Marke zu formen, die auch abseits des typischen Agenturgeschäfts von sich reden macht. Ein Beispiel – als Unternehmen, das in Berlin-Neukölln gegründet wurde und dort nach wie vor beheimatet ist, wollen wir uns künftig mit originellen Maßnahmen für den Kiez engagieren. Neukölln gilt zwar als eines der hippesten Pflaster Berlins, hat aber nach wie vor mit jeder Menge Probleme zu kämpfen, die vor allem finanzieller Natur sind. Bis ein Spielplatz auf Vordermann gebracht wird, der es dringend nötig hätte, vergehen Jahre. Als Teil von Neukölln mit smarten Ideen dazu beitragen zu können, dass sich hier und da etwas zum besseren verändert, treibt uns an. Wir wollen und können als Werbeagentur nicht die Welt verändern, aber wir können vor der eigenen Bürotür damit anfangen.
Kreative Vorbilder – Hast Du eins?
Nicht direkt kreative Vorbilder – eher allgemein Menschen, die sich trauen, Ideen tatsächlich umzusetzen. Sei es eine Geschäftsidee oder ein besonderes Projekt. Als ich damals z.B. von einer jungen Gründerin gelesen hatte, die in München eine Backstube eingerichtet hatte, in der „Omas & Opas“ Kuchen backen können, um nicht allein zu sein und einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen zu können, ging mir regelrecht das Herz auf. Sie erschuf dabei eine liebevolle Marke, die nicht nur ältere Menschen glücklicher machte, sondern auch besondere Produkte für die Allgemeinheit anbot, die online bestellt werden können. Es geht um Kuchentratsch, das nach einer zwischenzeitlichen Insolvenz zum Glück gerettet werden konnte und dem tollen Konzept heute weiter nachgehen kann. Ich empfehle übrigens den Karottenkuchen von Oma Irmgard.
Inspiration – Wie kommst Du auf neue Gedanken?
Habe ich kein Geheimrezept. In Berlin zu leben und zu arbeiten, schafft enorm viele Eindrücke, die man ganz unterbewusst in sich aufsaugt. Dazu viel Austausch mit Menschen aus der eigenen Branche und natürlich auch aus anderen. Allerdings bin ich auch davon überzeugt, dass gesammelte Erfahrung mindestens genauso wichtig ist für die tägliche Arbeit wie gesammelte Inspiration. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es keine erfahrenen Kreativen gibt, die sich im Laufe der Zeit nicht ein gewisses Denkmuster angeeignet haben, das dabei hilft, immer rechtzeitig auf gewünschte „gute“ Ideen zu kommen. Ergo: Hinsetzen und Kopf anschalten.
Welche Rolle soll aus Deiner Sicht Kommunikation und Design in der Gesellschaft einnehmen?
Marken und Agenturen stehen heute so viele Kanäle offen wie nie zuvor, in denen wir die Gesellschaft mit Inhalten erreichen können, die einen Mehrwert schaffen. Dadurch entstehen im Bestfall positive Anreize und weniger Alltags-„Hate“. Die Rolle, die Kommunikation einnehmen kann, ist der infotainige Kumpel zu sein, der mit originellen Inhalten begeistert und überzeugt.
Was ist aus Deiner Sicht besonders spannend an Deinem Beruf und welchen Rat gibst Du jungen Menschen mit auf den Weg?
Es gibt wohl nur wenige Berufszweige, die vielfältiger sind als die Kommunikationsbranche. Vor allem, wenn man nicht den einen, „großen“ Kunden bedient, sondern sich tagtäglich in viele andere Berufszweige hineindenken kann. Bei noga arbeiten wir unter anderem für eine Bank und gleichzeitig für eine Sex Toy Plattform. Das sind erfrischende Kontraste, die in anderen Branchen weniger gängig sind. Und Kontraste beleben das Mindset. Junge Menschen, die sich dafür begeistern können, sollten sich einen Arbeitgeber suchen, der eine Arbeitsatmosphäre schafft, in der sie diese Begeisterung langfristig nicht verlieren.
Credits: noga
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