Die meisten Menschen kennen das: Die besten Ideen kommen dann, wenn man sie nicht erzwingt. Unter der Dusche, beim Joggen oder beim sechsten Schnaps in der Lieblingsbar – gerade dann, wenn im Arbeitsalltag Kreativität benötigt wird, herrscht allerdings oft gähnende Leere im Kopf. Zum Glück gibt es Techniken, die das ideenreiche Denken fördern – Kreativität auf Knopfdruck also?
Ideen „richtig“ denken?
Unterscheiden lässt sich zwischen zwei Denkweisen, die eng verbunden sind mit den Begriffen Divergenz und Konvergenz. Simpel gesagt gehen Meinungen im Zusammenhang mit Divergenz auseinander, während Konvergenz das genaue Gegenteil meint: die Annäherung oder sogar Übereinstimmung von Auffassungen.
Möglichst viel Outcome gibt es also, wenn Denkprozesse divergent ablaufen. Deshalb gilt: keine Grenzen bei sämtlichen Überlegungen, und sind sie noch so verrückt. So wird Platz geschaffen für ausgefallene Ideen, die später ausgearbeitet werden können. Ein Bespiel: in einem Workshop soll die übliche, peinliche Stille durch eine relaxte Stimmung abgelöst werden. Einer der Teilnehmer bringt die recht gewagte Idee ein, das Eis durch kollektiven Drogenkonsum zu brechen. Realistisch? Eher nicht. Jedoch trotzdem kein Grund, die Idee wieder zu verwerfen. Besser: daraus eine realistische Alternative zu entwickeln. Schokolade statt Drogen! Das wäre im Fall des Workshops eine Möglichkeit – lockert die Stimmung und bringt im Worst Case einen Zuckerschock.
So wichtig wie der Ring für Gollum ist beim konvergenten Denken die Schlüsselidee, denn sie wird als einzige ausgewählt und detailliert ausgearbeitet. Die Herausforderung: Viele Menschen kommen gleich mit dutzenden Gründen, warum ihre Ideen zum Scheitern verurteilt sind. Entschlossener Optimismus gegen diese prinzipielle Skepsis lautet hier das Erfolgsrezept. Auch bei den ersten Überlegungen zum Carsharing waren die Einwände groß. Das eigene Auto mit Fremden teilen? Undenkbar. Optimismus und Zeit jedoch haben uns eines Besseren belehrt, denn besonders junge Menschen sind umweltbewusst genug, um auf ein eigenes Auto zu verzichten. Wer an einer möglichen Idee bastelt, sollte sich deshalb nicht zu sehr stressen. Natürlich muss das Konzept durchdacht, die Idee jedoch nicht gleich perfekt sein. Konvergent zu Denken bedeutet vielmehr, das Potenzial der besten Idee zu erkennen.
Die Basis für erfolgreiche, systematische Kreativität? Die richtige Balance zwischen beiden Denkweisen, also „Gegensätze ziehen sich an“. Was aber tun, wenn es darum geht, konkrete Probleme kreativ anzugehen?
Kreativ und konstruktiv – problem solving the right way
Diagnostisches Denken und semantische Analyse sind erst einmal Begriffe, die vor allem sperrig klingen. Ein genauerer Blick zeigt jedoch: dahinter verbergen sich zwei interessante Möglichkeiten, um die Lösung von Problemen auf kreative Art anzugehen.
Wer „Diagnose“ hört, assoziiert damit meist weiße Kittel, Laborwerte und Arztrezepte. Das ist in diesem Fall zwar falsch, das Grundprinzip der ärztlichen Diagnostik lässt sich dennoch gut auf systematische Kreativität übertragen: Probleme werden kritisch überprüft, eine Diagnose gestellt und konkrete Lösungsansätze verschrieben. Den 5 W’s zu folgen, kann dabei helfen. Nehmen wir ein naheliegendes Problem: Stadtzentren sind durchweg verstopft, Parkmöglichkeiten so gut wie nie vorhanden. Fragen und Antworten zur Problemstellung könnten in diesem Fall folgendermaßen ausfallen:
Warum ist es wichtig und wer ist davon betroffen? – Es führt zu täglicher Frustration und Ärger bei Bewohnern und Besuchern.
Was weiß man über das Problem? – Es gibt jährlich hunderte von Beschwerden bei der Stadtverwaltung.
Wann wird das Problem angegangen und wann sollen Ergebnisse sichtbar sein? – Möglichst sofort, um zügig Alternativen zu schaffen.
Wie kann aus dem Problem Potenzial gezogen werden? – Menschen sollten weniger abhängig vom Auto sein, was sich auch positiv auf die Umwelt auswirken würde.
Bei der semantischen Analyse wird das Problem etwas anders angegangen – Teamwork ahoi! Es wird als schriftliche Aufgabe formuliert, also „Wie kann das ständige Problem der Parkmöglichkeiten in der Innenstadt gelöst werden?“ Anschließend wird die Aufgabe in einzelne Teile zerlegt, indem Schlüsselwörter definiert werden. Keywords können sowohl naheliegende Wörter wie Parkhaus und Innenstadt, aber auch weiterführende Begriffe wie Radweg, Carsharing oder Stadtrand sein. Jedes Teammitglied stellt sich die Frage, welche Erwartungen sich hinter den Keywords verbergen und wie diese erfüllt werden können.
Da jeder eigene Schlüsselbegriffe und Erwartungen als besonders wichtig einstuft, entsteht ein Pool an potentiellen Ansätzen. Darauf aufbauend wird geschaut, wie die einzelnen Probleme bzw. das übergeordnete Problem gelöst werden können. Im Fall der Parkmöglichkeiten wären Lösungsvorschläge zusätzliche Parkmöglichkeiten am Stadtrand und ein ausgebautes Nahverkehrsnetz, oder auch motivierende Maßnahmen zur Nutzung von Carsharing.
Doch egal für welche Art der kreativen Ideenentwicklung oder Problemlösung man sich entscheidet, don’t stress out! Denn auch kreatives Denken benötigt Zeit. Deshalb hilft es manchmal am besten, einfach eine Nacht darüber zu schlafen.
Über den Autor
Malthe Luda ist Creative Director bei COBE. COBE ist Spezialist für Customer Experience Design, UI/UX Design und Software Entwicklung und kombiniert einen User-Centered Designansatz mit seiner eigens entwickelten UX-Identity-Methode (UXi), die aktuell in Kooperation mit der TH Ingolstadt validiert wird. Die UXi nutzt Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften und der Verhaltensökonomie, um die Werte einer Marke in die Designsprache digitaler Produkte zu übersetzen.
Fotos: (c) COBE
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