In unserem Kampagnen-Check – Folge 5 geht es um die Kampagne #SteigEinBeimKlimaschutz der Agentur thjnk. Kunde ist die Hamburger Verkehrsverbund GmbH.
Holger Lauinger, ist Strategy Director bei Panama und Lehrbeauftragter für Planning an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Er hat sich die Kampagne genauer angeschaut.
Klimaschutz ist ein Megathema unserer Zeit, es betrifft uns alle. So sehen das auch die allermeisten Menschen. Das Problem dabei, Klimaschutz ist oft zu lebensfern oder abstrakt, wenn nicht gerade wieder ein Jahrhundertsommer uns zum Schwitzen bringt oder Naturkatastrophen Schlagzeilen machen. Wie schafft man also immer wieder Bewusstsein für das Thema, macht es greifbarer und integriert es stärker in den Alltag? Ohne auf der einen Seite Reaktanz und Kopfschütteln zu erzeugen, wie durch die Blockaden und Aktionen der Klimabewegung „Letzte Generation“. Und auf der anderen Seite nicht unterzugehen in der Masse der generische CSR- und Nachhaltigkeitskommunikation, die an die unkonkrete Verantwortung von Unternehmen oder jedes Einzelnen appelliert?
Die Aktion des HVV anlässlich der Weltklimakonferenz 2022 in Ägypten geht einen anderen Weg. Für drei Tage wurden 14 Haltestellen in Hamburg kurzerhand umbenannt. Aus Eppendorfer Baum wird Steppendorfer Baum, Rothenburgsort heißt Tropenburgsort und statt in Kirchwerder steigt man in Kap Verder aus dem Bus. Der kreative Namenstausch soll auf die klimatischen Veränderungen, die auch die Hansestadt zukünftig noch stärker spüren wird, aufmerksam machen.
“Steigende Meeresspiegel, anhaltende Trockenheit und extreme Hitze werden auch bei uns im Norden tiefgreifende Folgen haben”, heißt es.
Was macht die Aktion aus meiner Sicht besser als viele andere Kampagnen zum Thema Klimaschutz? Zum einen ist da das schlichte Mittel des Humors. Auch über ernste Themen muss man irgendwann mal Schmunzeln dürfen. So werden festgefahrene Denkschubladen aufgebrochen und ein neuer Zugang zum Thema ermöglicht. Gerade in Zeiten, in denen eine Krisennachricht auf die Nächste folgt.
Den nächsten Pluspunkt gibt es für die Wahl des Touchpoints. Keine Reklametafeln und keine Onlinebanner, sondern Haltestellenschilder. Kommunikation, die vollkommen in ihrem Kontext aufgeht. Viele Fahrgäste werden die Umstellung gerade in der Rushhour nicht bemerken. Bei allen anderen wird es zu Überraschung, Verwunderung und ein wenig Verwirrung führen. Kurzum alles, was einen erst mal zum Nachdenken anregt. Verbreitet durch die Presse und soziale Netzwerke konnten die Bilder der neuen Haltestellen auch außerhalb Hamburgs ihre Wirkung entfalten.
Zu guter Letzt, die Aktion ist relevant. Sie bringt das globale Thema Klimaschutz eindrücklich in die Stadt, ins Viertel, zur eigenen Haltestellte – also in den Alltag der Menschen. Dabei ist der Absender kein ewiger Mahner oder Greenwasher sondern ein Teil der Lösung. Der HVV schafft hier ganz charmant seine Leistung als ÖPNV und damit Anbieter von nachhaltiger Mobilität zu platzieren. Mit dem Kampagnen Hashtag #SteigEinBeimKlimaschutz wird dann die konkrete Einladung zum Umstieg ausgesprochen.
Mut für unkonventionelle Aktionen war bisher im ÖPNV-Kontext ein Steckenpferd der Berliner BVG, gut wenn sich hier weitere Akteure ein Beispiel nehmen. Das Kurioseste an dieser Aktion aber ist ihre Entstehung. Thjnk ist ohne Auftrag und ohne eine Rechnung zu schreiben mit ihrem Konzept auf den HVV zugegangen. Allein die gute Sache und die Idee standen hier wohl im Vordergrund – erstaunlich. Auch wenn man mit einer kleinen Aktion nicht die Welt retten kann, die Reichweite der Kampagne sich in Grenzen hält und die wichtige Zielgruppe der Autofahrer:innen nicht direkt adressiert wurde, zeigt sie auf, auf wie Kommunikation funktionieren muss, um immer wieder zum Umdenken anzuregen.
Credits thjnk
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