Tsing Tsing Wu, Studentin im 6. Semester an der Akademie U5 für Kommunikationsdesign, hat sich ein hochprozentiges Thema für ihre Diplomarbeit eingeschüttet: Sie untersucht nämlich – hicks! – die Entwicklung der Kreativität unter Alkoholeinfluss. Das Projekt beinhaltet eine Reihe von Kreativworkshops, die jeweils Freitagabends im Juni stattfinden werden.

Tsing Tsing lädt dazu Mitglieder des ADC München zu zünftigen Saufabenden ein, bei denen es unter anderem auch anhand von Briefings Kreativjobs abzuarbeiten gilt: z.B Haribo hat neue Gummibärchen, wie bewirbt man sie?

Aber auch Themen sollen behandelt werden bei denen man eher davor zurückschreckt Unfug zu machen. Zum Beispiel: „Promotionmaßnahme für ein Bestattungsunternehmen“ oder eben „Werbemaßnahmen gegen Drunk Driving“. Der Sinn dabei ist, auch solche Themen aufzulockern wo sich nur wenige Kreative trauen, dreist zu sein. Und das funktioniert, glaubt man Frau Wu, bei einem Trinkgelage ganz gut.

Damit die Baustelle nicht zu trocken wird, werden Trinkspiele gespielt die analog zum Briefing zu Kreativitätstechniken umfunktioniert werden. Für die Diplomarbeit werden diese Trinkspiele in Bezug auf ihre Effektivität als Kreativitätstechniken und die dabei entwickelten Ideen mit Blick auf ihre Qualität ausgewertet – immer in Relation zum erreichten Alkoholpegel. Besonders herausragende Ideen sollen nach dem Workshop z.B. als eine geniale/lustige/bizarre Plakatkampagne umgesetzt werden. Klingt irre? Zum Glück kann die junge Frau alles erklären:

“Das Projekt ist nicht als tiefgreifende wissenschaftliche Studie angedacht, sondern als ein experimentelles Workshop-Modell, das eventuell auch in anderen Agenturen angewendet werden kann. Man kann in heiterer Stimmung Ideen sammeln und das Team stärken durch das gemeinsame Saufen. Die Events werden filmisch dokumentiert. Für das Projekt ist auch eine Website geplant wo die Ergebnisse festgehalten werden.“

Fragen an Tsing Tsing Wu:

Die eingeladenen Kreativgrößen lassen sich willig beim Picheln filmen?
“Wissen tun sie das vorher nicht, aber im Laufe des Gelages protestiert auch niemand mehr.”

Frau WU, wie sind Sie auf die Schnapsidee gekommen und wie haben Ihre Professoren reagiert?
“Das Überthema für die Diplomarbeiten dieses Semesters ist ‘Sucht’. Da war es naheliegend sich das Thema ‘Alkohol’ mal genauer anzuschauen. Es kam der Gedanke, wie Betrunkene aus voller Brust seltsame Ideen vorschlagen können, die meistens auch noch unglaublich schlecht sind. Die lockere Heiterkeit einer Trinkrunde und die gesenkte Hemmschwelle nach ein paar Bier bieten idealen Grund um gemeinsam Ideen zu spinnen. Irgendwann kam dann die Idee auf, wie lustig es wäre eine Agentur nur aus betrunkenen Kreativen zu gründen. Im Büro des Direktors gab es einen Lacher und ein OK.”

Zischen Sie sich auch immer erstmal ein Paulaner, bevor Sie als Zeichnerin zu Hochform auflaufen? (Ich las von dem Playboy-Projekt!)
“Ich trinke eigentlich überhaupt nicht gerne. Es schmeckt nicht.”

Trotzdem, hat es für Ihre Projektidee evtl. eine Rolle gespielt, dass Bier in Bayern als Grundnahrungsmittel gilt?
“Das war gar nicht so im Plan. Vielleicht unterbewusst, da ein Feierabendbier hier ja Gang und Gäbe ist.”

Konnten Sie bekannte Namen als Promille-Probanten gewinnen?
“Eingeladene Kreative sind unter anderem Feico Derschow, Tom Batoy, Alexander Nagel, Tom Meifert und Jan Okusluk. Es ging vor dem Start des Projektes eine Einladung per Mail an alle ADC-Mitglieder Münchens raus.”

Auch wenn Ihr Projekt nicht als ‘tiefgreifende, wissenschaftliche Studie angedacht‘ ist. Trotzdem: werden Sie im Sinne verallgemeinerbaren Erkenntnisgewinns ein paar Mindeststandards des wissenschaftlichen Arbeitens (Systematik, Mess- und Vergleichbarkeit, Dosierung/Körpergewicht usw.) gewährleisten können?
“Da es zum Thema Kreativität und Alkohol bereits Studien gibt, wird der Schwerpunkt darauf liegen, dieses Wissen anzuwenden.

Hier zwei Links dazu:

Bier macht Männer klüger

http://www.nydailynews.com/life-style/health/beer-men-smarter-study-article-1.1059752

Conciousness & Cognition: Short Communication

Uncorking the muse: Alcohol intoxication facilitates creative problem solving

https://tinyurl.com/y7qv55un

Trinken und Kreativität auf heise.de:

https://tinyurl.com/y6vzcwza

Die Datensammlung wird so angelegt sein:

Der Alkoholpegel wird von jeder Person mit einem Promillemesser über den Abend hinweg festgehalten und die Ideen chronologisch notiert. So wird man bei der Auswertung sehen bei welchem Promillepegel bei welcher Person welche Idee entstand. Die Qualität der Ideen werden voraussichtlich nach drei Kriterien bewertet: Freude für den Konsumenten, Kohärenz und Anklagepotenzial.”

Das müssen Sie bitte mal erklären!

  • “Freude für den Konsumenten – Viele Ideen/Projekte werden unter Werbern hochgepriesen, finden aber in der Anwendung kaum Gegenliebe beim Endkonsumenten. Manchmal ist es wirklich nur ein simpler Lacher der ein Produkt/Service sympathisch macht. Eine Art Wertung von Betriebsblindheit.
  • Kohärenz – Lustige Ideen schön und gut, aber irgendwie müssen sie auch noch Sinn machen. Die Idee muss das Briefing noch erfüllen. Mit erhöhtem Alkoholpegel wird sich das im Laufe des Abends schwieriger gestalten.
  • Anklagepotenzial – Schnapsideen, die nicht dreist genug sind um zu Beschwerden einzuladen, bekommen eine niedrige Wertung. Ein riskanter Faktor, aber wichtig um wirklich mit Ideen zu arbeiten die gescheit auf die Kacke hauen.”

In welchem Münchner Traditionsgemäuer werden Ihre kreativen Spätschoppen stattfinden?
“Um das Gefühl einer jungen Agentur beizubehalten, finden die Saufabende im Co-working Space MATES statt, und einmal als Shared Office mit der Agentur Golden Gate.”

Haben Sie z.B. wegen ‘Verführung zum Alkoholmissbrauch’ – keinen Gegenwind aus prüden Kreisen bekommen?
“Nö. Außer einem Kommentar auf dem W&V Facebook-Beitrag gab es mehr Anmeldungen als Beschwerden.”

Welcher persönliche Lieblingsdrink verleiht denn Ihrer Kreativität Flügel?
“Orangensaft!”

Schon Pläne für die Zeit nach Ihrem Diplom?
“Um ehrlich zu sein, noch keine Pläne. Ich schaue einfach mal wohin es mich verschlägt.”

Frau Wu, vielen Dank dass Sie Zeit für den Designboten hatten! Ich sag mal Prost und wünsche Ihnen viel Erfolg!

Mit Tsing Tsing Wu sprach DESIGNBOTE-Redakteur Wolfgang Linneweber

Tsing Tsing Wu

Tsing Tsing Wu

 

Das erste Briefing passte auf einen Bierdeckel: „Werbemaßnahmen gegen Drunk Driving“.

 

„DRUNK“ Kronkorken

www.drunk-agency.com

 

Danke Tsing Tsing, das Sie Zeit für uns hatten.

Mit Tsing Tsing Wu sprach DESIGNBOTE-Redakteur Wolfgang Linneweber