„Unique Youniverse“ inspirierte als Leitthema zum aktuellen Trend der Individualisierung bei den „Framing Trends“ der DOMOTEX und ist auch bei den Herstellern von Designbelägen, Laminat, Parkett, Teppichböden und handgefertigten Teppichen angesagt.
„Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“, dürften sich einige der Besucher gefragt haben, die das Kaleidoskop in Halle 9 der DOMOTEX 2018 betreten haben. Der mit quadratischen Spiegeln ausgekleidete Raum unter dem Titel „Endless Uniqueness“ forderte dazu auf, sich dem Leitthema „Unique Youniverse“ zu widmen: Durch das eigene Spiegelbild und der dort angeregten Interaktion mit drehbaren Quadraten, auf den unterschiedliche Bodenbeläge angebracht waren, konnte man sich selbst in einer Art Unendlichkeit wahrnehmen – und sah sich dadurch im übertragenen Sinne mit dem Wunsch nach Einzigartigkeit und personalisierten Produkten in einer
zunehmend globalisierten Welt konfrontiert.
Das Kaleidoskop war Teil der Sonderfläche „Framing Trends“, auf der Künstler, Architekten sowie Hersteller den Trend „Individualisierung“ auf höchst eigene Weise interpretierten. Im Bereich „Art & Interaction“ beleuchtete Michael Acapulco mit dem Blick durchs Fenster auf unsere Erdkugel das Spannungsfeld aus individueller und objektiver Realität. Jette Hampe nähte auseinandergeschnittene Portraits auf einen „Fliegenden Teppich“ und wollte damit anregen, sich als Individuum zwischen „Geschichte, Lebensbedingungen und Natur“ zu positionieren.
Im Bereich der „Flooring Spaces“ veranschaulichten Konstantin Landuris und Classen, was herauskommt, wenn sich Kreative mit Herstellern zusammentun: ein nach Landuris‘ Design digitalbedruckter Designboden in Marmoroptik, eingebettet in einer Installation, die sich dem Wohnen in der Zukunft widmete. Bei den „NuThinkers“ fielen vor allem die Innenarchitektur-Studierenden der FH Mainz auf, die mit „Individual Motion Space“ eine Virtual Reality-Anwendung erarbeitet hatten, mit der man im virtuellen Raum Objekte bis hin zu ganzen Räumen individuell gestalten kann. Das Ergebnis war ebenfalls vor Ort zu sehen: eine raumhohe Box in polygonalem Design.
Fotorealistische Print-Unikate
Aber nicht nur die kreativen Köpfe der „Framing Trends“, auch die Hersteller der diesjährigen DOMOTEX hatten einiges und vor allem sehr viel Unterschiedliches zum Leitthema und Trend „Unique Youniverse“ zu bieten. Insbesondere neue Möglichkeiten der Digitaldruck-Technologie veranlasste Anbieter wie Amorim, Beaulieu International Group oder Classen dazu, täuschend echte Fotomotive auf Designboden und Laminat zu bannen. Ob Sand auf dem Boden im Bad, das Riesenaquarium im Kinderzimmer oder auch mal ein Wandmotiv voller Geldstücke – schier unendlich viele Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich nun Privatkunden als auch Einrichtern und Architekten. Und das in besonders großen Formaten bis zu vier Meter Breite (Rollenware) und kleinen Losgrößen. Etwa für Boutique-Hotels, so heißt es bei Beaulieu International Group, seien diese individuellen großformatigen Prints spannend und gefragt.
Die zunehmende Digitalisierung verändert aber nicht nur Produktions-, sondern auch Gestaltungs- und Vertriebsprozesse, wie sich dies auf der DOMOTEX anhand von innovativen Virtual Reality-Anwendungen darstellte. So präsentierte Paulig eine neue Augmented Reality-App, mit der der Teppichhersteller Privat- als auch Objekt-Kunden in die Gestaltung miteinbinden will. Die App funktioniert so: Man nimmt ein Foto mit dem Smartphone oder Tablet auf und legt virtuell einen vorab individuell konfigurierten Teppich in das Raumbild. So sollte der Spagat zwischen Wunsch und Realität leichter gelingen.
Vom Boden auf die Wand
Gerade im Zuge eines ganzheitlichen Gestaltungsansatzes, der in den vergangenen Saisons immer stärker Einzug in das Interior Design hält, haben sich einige Anbieter vom Boden auf die Wand gewagt. Ob bei Beaulieu International Group, Tisca aus der Schweiz oder Objectflor: Spezielle Systeme, Kleber und Grundierungen machen es nun möglich, Designbeläge und Teppichboden an die Wand zu bringen.
Ein Highlight dazu sah man bei Beaulieu International Group: Das berühmte Bild der pausierenden Handwerker auf einem Stahlträger hoch oben über New York hatte der belgische Hersteller auf einen Tuftingteppich lediglich durch die Verwendung von zwei unterschiedlichen Graunuancen übertragen. Solche Wandteppiche können „custommade“ und in besonderes großem Format angefertigt werden und sind perfekt etwa für Foyers von Bürogebäuden oder Hotels. Unter dem gleichen Aspekt bietet Teppichspezialist Tisca aus der Schweiz Kunden an, Farbe, Material und Struktur eines Tufting- oder Rips-Teppichbodens nach persönlichen Präferenzen zu komponieren. So lassen sich unter anderem Reliefs und damit zum Beispiel Firmenlogos durch unterschiedlich hohe Schlingen gestalten.
Natürlichkeit und Musterspiele
Holzoptiken sind nach wie vor Topseller und Liebling der Branche. Ob Designboden, Laminat oder gar Parkett – übergreifend zeigt sich, dass Used-Look und Rustikalität zugunsten einer puren Natürlichkeit nachlassen. Bei Ter Hürne sah man Parkett in handgehobelter Oberfläche, das sich alles andere als glatt anfühlte. Zu den großformatigen Dielen, die in den vergangenen Saisons im Trend lagen, gesellen sich jetzt kleinteilige Muster wie Fischgrät, Mosaike oder die Verlegung von unterschiedlichen Beizungen, die an einen Boden aus Schiffsplanken erinnern – zu sehen unter anderem bei Ter Hürne (Parkett) oder Swisskrono (Laminat).
Objectflor bietet in diesem Zusammenhang an, für alle seine Designbeläge Mosaike und Intarsien mittels Wasserstrahltechnologie nach individuellen Maßen zuzuschneiden. Der Boden wird damit zur Bühne für aufsehenerregende Musterspiele.
Viel Aufmerksamkeit wurde den neuen „starren“ Designböden geschenkt – so launchte nicht nur Unilin ein innovatives „Rigid Board“, das zwar nur eine Aufbauhöhe von 5 Millimeter besitzt, dank seiner vier Schichten aber ein Durchdrücken des Untergrundes verhindert. Diese sogenannten „Telegraphiereffekte“ dürften bei Egger gar nicht erst vorkommen. Das Unternehmen aus Tirol setzt auf Komfort: Zwei Korkschichten umschließen die Trägerplatte wie ein Sandwich, sodass es sich darauf besonders weich
läuft. Swisskrono präsentierte eine Innovation, die die Entscheidung für Designböden in Holzoptiken in Küche und Bad etwas leichter machen dürfte: „Swiss Aquastop 48 h“ widersteht ganze zwei Tage lang Flüssigkeiten, ohne dass Farbflecken und Wasserschäden entstehen.
Softe Pastellwelten mit Handmade-Charakter
Die Sehnsucht in den Wohnzimmern nach skandinavischem „Hygge“ – auf Dänisch Gemütlichkeit – bricht auch in 2018 bei der DOMOTEX nicht ab: Besonders deutlich konnte man dies am Stand von Tisca aus Österreich nachvollziehen. Dort hatte die schwedische Star- Stylistin Lotta Agaton ein ganzes Raumszenario in Wollweiß geschaffen: mit Möbeln aus hellem Holz, soften Polsterungen und den GOTS-zertifizierten Handwebteppichen der Linie „Olbia“ von Tisca.
Dass Pastellwelten auch weiterhin das Interior Design beflügeln, war bei vielen Herstellern der DOMOTEX nicht zu übersehen. Es gibt einen guten Grund: Pastellfarben verleihen immer kleiner werdenden Wohnungen Leichtigkeit. Architektin Jutta Werner, die für Dedon, Vorwerk und Rolf Benz arbeitet, setzt diesen Trend für ihr eigenes Label Nomad in handgewebte Teppiche um, indem sie dem pastellfarbenen Garn noch ein recyceltes aus silbernem Bonbonpapier hinzugibt.
Modularität für flexible Interiors
Durch die gesteigerte Nachfrage nach Textilien im Raum kommt der Teppichboden vor allem über modulare Systeme wie Fliesen und Planken wieder in die Räume zurück – insbesondere zur Anwendung in öffentlichen Räumen wie Büros. Dort wirkt er nicht nur schallabsorbierend, sondern lässt sich dank Modularität exakt passend verlegen und obendrein noch individuell und kreativ gestalten. Geometrische Muster in abgestimmter Farbgebung zum Interior bieten Abwechslung im tristen Büroalltag. Dabei liegen Haptik, Struktur und Tiefe im Trend. So zeigt Designer Sebastian Wrong mit seiner neuesten Teppichfliesen-Kollektion „Layers“ für Fletco spannende und griffige Strukturen sowie einen „Faux Uni“ – also einen unifarbenen Gesamteindruck, bei näherem Hinsehen allerdings eine reiche Farbvielfalt.
Eine weitere Alternative zur Bahnenware sind abgepasste Tufting Varianten: Fletco offeriert unter diesem Aspekt eine Linie, die nach Kundenwunsch in jeglicher Freiform zugeschnitten werden können. Möglich ist dies durch neue Lasercut-Maschinen, mit denen auch Tisca aus der Schweiz arbeitet – und die darauf individuell gestaltete Intarsien für Tuftingteppich Bahnenware anfertigen können.
Schnelles Verlegen ist gefragt
Für die flexibel gestalteten Retail-, Büro- und Wohnwelten müssen Bodenbeläge schneller ausgetauscht werden. Schnell abbindende Lösungen waren daher die Highlights im Bereich der Anwendungs- und Verlegetechnik der DOMOTEX. So stellte Uzin Utz mehrere Spachtelmassen vor, die aufgrund einer neuartigen, reaktiven Bindemittelkombination und einer innovativen Additivierung schneller trocknen. Aber auch das Abdichten von Designbodenbelag in Nassräumen steht weiterhin im Fokus: Mapei beantwortet dies mit einem ganzheitlichen „Mapei Shower Sytem 4 LVT1“, bestehend aus einer Abdichtungsbahn und einem einkomponentigen Silan-Kleber.
Unterschiedliche Rezepte für Nachhaltigkeit
Nachdem Teppich- und Designbodenhersteller die vergangenen Jahre alles getan haben, ihre Beläge frei von Bitumen beziehungsweise Phtalaten zu bekommen, forcieren einige Anbieter nachhaltige Materialien und Verfahren. „Wohngesundheit“ ist ein Schlagwort, das an vielen Ständen oft zitiert wurde. Die Rezepte dafür fallen allerdings sehr unterschiedlich aus: Windmöller ist mit seinem Produkt „Wineo Bioboden“ so erfolgreich, dass das Unternehmen dem Polyurethan, das aus nachhaltig erzeugtem Rizinius- und Rapsöl stammt, den Markennamen „Ecuran“ verliehen hat. Was Nachhaltigkeit und Natürlichkeit angeht, haben Parkett und Korkböden naturgemäß eine Vorreiterrolle. Amorim wurde nun für seine Korkbeläge unter dem Label Wicanders deshalb gleich mehrfach mit dem „Blauen Engel“ ausgezeichnet.
Tradition bei den handgefertigten Teppichen
Tendenzen wie Tradition, Nachhaltigkeit und Individualisierung spiegelten sich last but not least in den handgefertigten Teppichen wider. So wurde Lila Valadan für „Vague“, einen dunklen, schweren, aus Ziegenhaar gewebten Nomadenteppich, mit dem „Carpet Design Award“ ausgezeichnet, der „Transitional Design“ – also die Verschmelzung aus Tradition und modernem Design – auf höchst gelungene Art darstellt. Auch das ausgezeichnete Modell „Blue Star“ von Art Resources zahlt auf dieses Thema ein, in dem ein klassisches islamisches Polygonal-Design durch die Verwendung von nur zwei Farben in einem neuen Licht erscheint.
Die in Berlin ansässige niederländische Designerin Salem van der Swaagh verwendete Stoffreste für einen voluminösen, langflorigen Teppich und weist damit daraufhin, dass auch bei den hochwertigen handgeknüpften Teppichen Themen wie Upcycling und Nachhaltigkeit relevant sein können. Diesen Faden nimmt auch der indische Hersteller Obeetee auf, indem er in seiner Kollektion „Biophilia“ Materialien wie Hanf, Jute, Brennessel oder Bio-Baumwolle verwendet. So viel Individualität, wie in einem handgeknüpften Teppich steckt, lässt sich kaum übertrumpfen. Ein gutes Beispiel dafür ist der speziell für ein Hotel angefertigte Wandteppich des sardischen Teppichlabels Mariantonia Urru, der die Architektur feinsinnig ergänzt – und dafür in der neuen Kategorie „Beste Rauminstallation“ einen der begehrten „Carpet Design Awards“ gewinnen konnte.
Auch interessant ist der Artikel über die Böden im ‘Kintsugi’ – Stil auf DESIGNBOTE
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