Vor hundert Jahren gegründet, hat er nur 14 Jahre bestanden. Und doch hatte der Bauhausstil bevor er von den Nazis in die Selbstauflösung getrieben wurde, das Bauen, das Handwerk und auch die Kunst nachhaltig geprägt. Gropius’ Konzept der interdisziplinären Lehre sollte die akademische Ausbildung nachhaltig und über die finsteren Nazi-Jahre hinaus prägen.
Die klare Linienführung der Bauhausarchitektur kam dem industrialisierten Bauen entgegen, das den nach der Jahrhundertwende gewachsenen Bedarf an bezahlbarem, städtischem Wohnraum befriedigen sollte. Zeitgemäße Konstruktionselemente verschwanden nicht länger hinter schmückendem Stuck, sondern wurden gezeigt. So viel technische Nüchternheit, so klare Radien fanden nicht nur Zustimmung und scheiden bis anno heute die Geister. Trotzdem fand der ‘Bauhaus-Stil’ seinen Weg in die Welt. Schon 1922 fand in Kalkutta eine Bauhaus-Ausstellung statt.
Bauhausstil – Auch 2018 fügt sich der nüchterne, alterslose Stil noch in die zeitgenössische Architektur und wird in Neubauten gerne zitiert.
Der Berliner Fotograf Jean Molitor zeigt in einem prallen Bildband die vielfältigen Spuren die hundert Jahre Bauhausarchitektur weltweit hinterlassen haben. Und die Strömung der Moderne trug viele Früchte: International Style, Neue Sachlichkeit, Neues Bauen, Klinkerexpressionismus, Art Déco, De Stijl …
Die emigrierenden Architekten trugen die Ideen des Bauhauses in andere Kontinente. Als jüdische Auswanderer prägten sie junge Städte wie Tel Aviv und haben dort über 4.000 Bauwerke im Bauhausstil hinterlassen. Neben Israel fanden die vertriebenen Gestalter in England, Japan, der Türkei, Ungarn, Australien, der Sowjetunion und den USA eine neue Heimat. In Mexiko fand der Ernst May-Schüler Max Cetto ein neues Betätigungsfeld. ‘Linke’ Architekten wie Hannes Meyer siedelten 1936 nach Stalins Säuberungen aus der UdSSR nach Mexiko um. Margarethe Schütte-Lihotzky geht nach Istanbul, wo Bruno Traut am Bosporus ein Wohnhaus, einen Pavillion auf Stelzen hinterließ. Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe bekleiden Positionen an US-Hochschulen, viele andere Bauhaus-Lehrer wirken als Dozenten u.a. in Cambridge, Harvard und am für seine interdisziplinäre Ausbildung renommierten Black Mountain College.
In Afrika, wo Baumaterialien günstig und Flächen reichlich verfügbar warten, findet der Bauhausstil, vielfach mit Art Déco-Elementen, weite Verbreitung. Dienten hier – so eine These – Baupraktikern ohne Architekturausbildung Abbildungen aus Architekturmagazinen als Vorlagen für ihre bisweilen etwas unbeholfen wirkenden Adaptionen? Interessantes Detail: Ernst May ging 1933 zunächst nach Tanganjika um später in Nairobi ein Architekturbüro zu eröffnen.
In Indien wurden die deutschen Architekten Eckard Muthesius und Otto Königsberger aktiv. Letzterer 1933 ging zunächst nach Kairo, um ab 1939 in Bangalore der modernen Architektur den Weg zu bahnen.
Der dem Sujet entsprechend zurückhaltend gestaltete Bildband in schlichtem, tonigem Schwarzweiß mit einem Vorwort von der Architekturhistorikerin Kaija Voss zeigt steingewordene Zeugnisse der Bauhaus-Architektur in ua.a Argentinien, Kuba, Rumänien, Burundi, Kambodscha, Indien und Israel. Der Autor sieht seine dokumentarische Tätigkeit als ‘offenes Projekt’, das stetig weiter wächst – und einen Wettlauf mit der Zeit. Zu sehen sind zum Beispiel Tankstellen, Kranken- und Bootshäuser, futuristisch anmutende, teils arg lädierte Kinos, Wohnanlagen und Industriebauten. Dieser Band ist ein Muss für Liebhaber und Bewohner der Bauhaus-Architektursprache.
Das Buch erscheint als Katalog zur Ausstellung jean molitor: bau1haus
BOX Freiraum, Berlin (noch bis 28. Oktober 2018)
Haus Schulenburg, Henry van de Velde-Museum, Gera 14. Oktober – 22. Dezember 2018
Willy-Brandt-Haus, Berlin 16. Januar – 3. März 2019
Bildquelle: HATJECANTZ, Jean Molitor
0 Kommentare