Dieter Rams

Dieter Rams in seinem Arbeitszimmer, in seinem Haus, in Kronberg, am Montag, dem 03. Juni 2013 | Foto: Michael Kretzer

Dieter Rams (*1932) ist einer der einflussreichsten deutschen Designer der letzten Jahrzehnte. Seine Entwürfe für die Firma Braun sind legendär, seine Thesen über Design heute aktueller denn je. Vom 18. November 2016 bis 12. März 2017 präsentiert das Vitra Design Museum im neu eröffneten Vitra Schaudepot eine Ausstellung über Rams‘ Werk. »Dieter Rams. Modular World« zeigt eine Auswahl der von Rams entworfenen Möbel und Elektrogeräte, darunter Schlüsselwerke wie der Schneewittchensarg und das Regalsystem 606. Ergänzt wird die Schau durch historisches Bildmaterial und ein Video-Interview, in dem Rams seine Gestaltungsphilosophie erläutert.

»Dieter Rams. Modular World« ist die erste Ausstellung, die vor allem Rams‘ Möbelentwürfe in den Blick nimmt. Dabei wird deutlich, wie eng diese Entwürfe mit seiner Gestaltungsphilosophie verbunden sind. Deren Essenz – Einfachheit, Ehrlichkeit, Zeitlosigkeit – fasste er in seinen »Zehn Thesen zum Design« zusammen, die er ab den 1970er Jahren entwickelte. Darin schrieb er unter anderem: »Gutes Design ist langlebig. Es hat nichts Modisches, das schnell veraltet wirkt. Damit unterscheiden sich gut gestaltete Produkte tiefgreifend von kurzlebigen Trivial-Produkten einer Wegwerfgesellschaft, für die es heute keine Berechtigung mehr gibt«. Ausgangspunkt dieser Überlegungen war also eine grundsätzliche Konsumkritik, die Rams veranlasste, neue Ziele für den Umgang mit Design zu formulieren – und dies lange bevor Nachhaltigkeit zum Modewort wurde.
Rams‘ Thesen können auch zum Verständnis seiner vielfältigen gestalterischen Arbeit herangezogen werden. Von 1955 bis 1997 war er für das Produktdesign der Firma Braun verantwortlich. Hier entstanden die legendären Elektrogeräte, die in den letzten Jahren immer wieder als Anregung für das Design der Apple-Produkte angeführt wurden. Weniger bekannt ist, dass Rams bereits ab 1957 auch Möbel entwickelte. Dabei arbeitete er vor allem mit der Firma Vitsoe zusammen, die seine Entwürfe bis heute herstellt. Wie wichtig ihm seine Möbel waren, erläuterte Rams so: »Vielleicht noch unmittelbarer als die Braun Geräte sind die Möbel entstanden aus einer Vorstellung davon, wie die Welt ›eingerichtet‹ sein und wie Menschen in dieser artifiziellen Umwelt leben sollten. Jedes Möbelstück ist in diesem Sinne auch ein Welt- und Lebensentwurf.«
Rams‘ Entwürfe sind gekennzeichnet durch Reduktion und Schlichtheit, gemäß seiner Maxime »Gutes Design ist so wenig Design wie möglich«. Dabei geht es ihm weniger um Askese, sondern um ästhetische Nachhaltigkeit. Seine Regale, Stühle, Sessel und Tische sind so funktional und neutral gestaltet, dass sie variabel einsetzbar sind – ob in Wohnzimmer, Küche, Büro oder öffentlichen Räumen – und auch Jahrzehnte später nichts von ihrer Aktualität verloren haben. Zugleich sind viele der Möbel als modulare Systeme konzipiert, die sich mit dem Leben der Benutzer verändern können. Beispielsweise wird das berühmte Regalsystem 606 seit 1960 kontinuierlich hergestellt, und es ist möglich, Module aus der heutigen Produktion mit einem Regal aus den 1960ern zu kombinieren. Der Sessel 620 wiederum kann als Ein-, Zwei- oder Dreisitzer mit unterschiedlichen Seiten- und Rückenlehnen ausgestattet werden. Und das System 740, einer von Rams‘ am wenigsten bekannten Entwürfen, basiert auf runden, stapelbaren Elementen, die von japanischen Sitzmatten inspiriert sind – eine noch heute bestechend klare Entwurfsidee.
Mit ihrer Zeitlosigkeit sind Rams‘ Entwürfe Musterbeispiele für nachhaltiges Gestalten und beeinflussen Designer bis heute.

Foto: Christoph Sagel, APPEL DESIGN GALLERY Berlin

Dieter Rams, »Zehn Thesen zum Design«

  1. Gutes Design ist innovativ. Es wiederholt weder bekannte Produktgestalten, noch erzeugt es beliebige
    Neuartigkeit als Selbstzweck. Gutes Design ist vielmehr innovativ darin, daß es im Hinblick auf die Funktionen eines Produkts deutliche Fortschritte erreicht. Die Möglichkeiten dafür sind längst nicht ausgeschöpft. Die technologische Entwicklung öffnet auch dem Design immer wieder Chancen für innovative Lösungen.
  2. Gutes Design macht ein Produkt brauchbar. Man kauft ein Produkt, um es zu benutzen. Es hat bestimmte Zwecke zu erfüllen – Primärfunktionen ebenso wie ergänzende Funktionen. Die wichtigste Aufgabe des Design ist es, die Brauchbarkeit eines Produkts zu optimieren.
  3. Gutes Design ist ästhetisch. Die ästhetische Qualität eines Produktes – und damit seine Faszination – ist ein integraler Aspekt für seine Brauchbarkeit. Denn ganz sicher ist es unangenehm und mühsam, Tag für Tag mit Produkten zu tun zu haben, die verwirrend sind, die einem buchstäblich auf die Nerven gehen und zu denen man keine Beziehung finden kann. Allerdings läßt sich über ästhetische Qualität schwer diskutieren. Dafür gibt es zwei Gründe: Es ist sehr schwierig, sich über Visuelles mit Worten zu verständigen, weil ein und dasselbe Wort für verschiedene Menschen eine ganz unterschiedliche Bedeutung haben kann. Und zweitens geht es bei der ästhetischen Qualität um Nuancen, um feine Abstufungen, um den Gleichklang und das subtile Gleichgewicht einer Vielzahl von visuellen Elementen. Man braucht ein Auge, das durch jahrelange Erfahrung geschult ist, um hier ein fundiertes Urteil zu haben.
  4. Gutes Design macht ein Produkt verständlich, erhöht seine Selbsterklärungsqualität. Es verdeutlicht auf einleuchtende Weise die Struktur des Produkts. Aber mehr noch: Es bringt das Produkt sozusagen zum Sprechen. Im optimalen Fall erklärt sich ein Produkt selbst und erspart das frustrierende Studium von unverständlichen Bedienungsanleitungen.
  5. Gutes Design ist unaufdringlich. Produkte, die einen Zweck erfüllen, haben Werkzeugcharakter. Sie sind weder dekorative Objekte noch Kunstwerke. Ihr Design sollte deshalb neutral sein, die Dinge zurücktreten lassen und dem Menschen Raum geben.
  6. Gutes Design ist ehrlich. Es versucht nicht, ein Produkt anders erscheinen zu lassen, als es wirklich ist – innovativer, leistungsfähiger, wertvoller. Es manipuliert den Käufer und Gebraucher nicht, stiftet ihn nicht zum Selbstbetrug an.
  7. Gutes Design ist langlebig. Es hat nichts Modisches, das schnell veraltet wirkt. Damit unterscheiden sich gut gestaltete Produkte tiefgreifend von kurzlebigen Trivial-Produkten einer Wegwerfgesellschaft, für die es heute keine Berechtigung mehr gibt.
  8. Gutes Design ist konsequent bis ins letzte Detail. Gründlichkeit und Genauigkeit des Design sind Ausdruck von Respekt – dem Produkt und seinen Funktionen, aber ebenso dem Gebraucher gegenüber.
  9. Gutes Design ist umweltfreundlich. Das Design kann und muß seinen Beitrag zur Erhaltung der Umwelt und Schonung der Ressourcen leisten. Dabei muß es nicht allein etwas gegen die physische, sondern auch gegen die visuelle Verschmutzung und Zerstörung der Umwelt tun.
  10. Gutes Design ist sowenig Design wie möglich. Zurück zum Puren, zum Einfachen!

(Quelle: Dieter Rams, »Weniger, aber besser. Less but better«, 1995)

Foto: Christoph Sagel

 

Foto: Christoph Sagel

Die wichtigsten Daten zur Ausstellung

Titel: Dieter Rams. Modular World
Kuratorin: Heng Zhi
Ort: Vitra Schaudepot | Charles-Eames-Straße 2 | 79576 Weil am Rhein
Dauer der Ausstellung: 18. November 2016 – 12. März 2017
Eröffnung: 17. November 2016, 18 Uhr

Vitra Schaudepot
Öffnungszeiten: täglich von 10 – 18 Uhr

Weitere Informationen: www.design-museum.de
T +49.7621.702.3200
info@design-museum.de

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