Professionalisierung im Designstudium – Wie bereiten Designstudiengänge auf die Arbeitswelt vor? Gut, sagen in der Regel die Verantwortlichen an Hochschulen. Schließlich ist die Designlehre seit jeher praxisorientiert. Aber ist nicht die Professionalisierung im Design neu gefordert, wenn sich die Welt rundherum rasant bewegt? Diese Frage wirft die Dissertation von Petra Kern auf. Ihr Ausgangspunkt ist das seit Bologna eingeführte Employability-Ziel von Hochschulbildung.
Employability als Zukunftskompetenz
Wer studiert, soll auch auf die Arbeitswelt vorbereitet werden. Allerdings auf die Arbeitswelt der Zukunft, und die wandelt sich seit Jahren gründlich: Mehr Kreativität und Innovation – für alle Berufe und Qualifikationsstufen – sind gefordert bei gleichzeitiger Entroutinisierung vieler Aufgaben. Von einer verwissenschaftlichten Arbeitswelt lässt sich heute sprechen. Neue Berufsbilder entstehen, und kaum eines kommt ohne wissenschaftliche Grundbildung aus. Das gilt auch im Design, wie die Verfasserin anhand von Analysen der Kreativ- und Designwirtschaft aufzeigt. Hier wird ein Defizit erkennbar: Zwar reklamiert die Designdomäne Wissenschaftlichkeit für sich, die empirischen Belege sprechen aber eine andere Sprache.
Wissenschaftlichkeit zwischen Anspruch und Realität
Design wird zunehmend an Fachhochschulen studiert. Die Zahlen an Universitäten sind rückläufig. In der Regel bleibt es beim Bachelor. Die Masterabschlüsse sind deutlich niedriger als in anderen Fächern. So verharrt auch die Promovierendenquote im Design seit Jahren bei einem Zehntel der Quote des gesamten Hochschulbereichs. Wissenschaftliches Arbeiten im Design ist ein Randthema. Die Forschungsgebiete sind schmal. Und so entstand auch diese Dissertation nicht im Design, sondern in der Berufspädagogik. In einer Disziplin, die zur Professionalisierung des Designs wichtige Fragen beisteuert: Was leistet Designwissenschaft für die designerische Tätigkeit? Welche Veränderungen kennzeichnen die Arbeit von Designer/innen und werden diese in der Designlehre antizipierend reflektiert? Forschungsfragen, denen die Verfasserin mit quantitativen und qualitativen Analysen sowie einem originär-empirischen Zugang über Interviews an Designhochschulen (FH Aachen, HBK Braunschweig, FH Potsdam) nachging.
Kompetenzmodelle im Design – eines für alle?
Festgestellt wird in der Forschungsarbeit das Fehlen differenzierter Kompetenzmodelle in der Breite des Designstudienangebots. Hier wird meist auf ein einziges Kompetenzmodell fokussiert – auf das traditionelle Modell der Gestalterpersönlichkeit mit Entwurfstalent. Das Studienziel einer erfolgreichen Beruflichkeit wird dabei stillschweigend als erfüllt angenommen. Demgegenüber ist aber erkennbar, dass sich die berufliche Praxis und das Studienfach zunehmend entkoppeln. Die Zugänge zur Erwerbssphäre haben sich erheblich erweitert. Designer/innen mit einer auf Wissenschaftlichkeit gründenden Kreativität sind außerhalb der traditionellen Tätigkeitsfelder immer häufiger gefragt. Aber es fehlt im Studium an differenzierten Alternativen für eine Professionalisierung im Sinne multiperspektivischer Erwerbsbefähigung. Dabei zeigt die Analyse der Designwirtschaft auch, dass sich die prekäre Arbeit von Kreativen häuft. Zwar ist Design in der prosperierenden Kreativ- und Designwirtschaft ein hoch gehandelter Innovationsfaktor. Diese Aufwertung spiegelt sich aber nicht im Einkommen der überwiegend akademisch qualifizierten und selbstständig tätigen Designer/innen. Gehört denn aber ein auskömmliches Einkommen nicht auch zur erfolgreichen Beruflichkeit im Design? Ein wichtiges Thema, aber ein Employability-Diskurs wird bis heute in der Domäne kaum geführt. Auch dies ergibt die Analyse der Verfasserin.
Handlungsoptionen für Professionalisierung
Neue Konzepte der Professionalisierung sind in Designstudiengängen gefragt. Und Handlungsoptionen gibt es reichlich, wie die Autorin ausführt: angefangen bei Studiengangskonzepten, die Beruflichkeit von Anfang an mitdenken und nicht an das Studienende in die Verantwortung der Absolvent/innen verlegen; weiterhin didaktische Formate, die die Stärken des Designs spezifisch fördern und Schwächen wie die mangelnde Wissenschaftlichkeit kompensieren. Handlungsoptionen sind aber auch beim Hochschul- und Fakultätsmanagement zu erkennen, wo es mehr strategischen Freiraum für die Entwicklung konsistenter Lehrangebote braucht. Genauso ist Wissenschaftsmarketing ein Handlungsfeld, um Designstudiengängen für verschiedene Stakeholder ein differenziertes Profil zu geben.
Design als Teil innovativer Studienkonzepte
Dass ein Aufbruch zu neuen Kompetenzen möglich ist, zeigt die wachsende Zahl interdisziplinär orientierter Designstudiengänge. Sie entstehen oft in Zusammenarbeit verschiedener Fakultäten und bewegen sich zum Teil außerhalb des tradierten Designkonzepts. Sie machen bereits rund ein Drittel des gesamten Studienangebots im Design aus, wie die Untersuchung ergab. Allerdings sind sie bisher wenig beforscht. Es scheint, dass sich hier eine große Innovationszone auftut, die das klassische Design zu einer neuen Selbstfindung herausfordert. Und es gibt Designfachbereiche, die sich bereits mit Erfolg dieser Aufgabe stellen und ihr Studienangebot innovativ weiterentwickeln. Auch die Interviews ergaben dafür wichtige Hinweise. Die Professionsentwicklung im Design geht weiter – ob mit oder ohne die Designer/innen haben diese letztlich selbst in der Hand.
Zur Einordnung der wissenschaftlichen Arbeit
Die Forschungsarbeit wurde von Prof. Dr. Kirsten Lehmkuhl, Fachgebiet Schul- und Berufspädagogik, Fakultät Geistes- und Bildungswissenschaften, an der Technischen Universität Berlin betreut und von ihr und Prof. Dr. Rita Meyer, Institut für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung an der Leibniz Universität Hannover, begutachtet. Die wissenschaftliche Arbeit untersucht erstmals den Employability-Anspruch mit Blick auf eine spezifische Domäne. “Hier wird Grundlagen- und Methodenwissen der Berufs- und Wirtschaftspädagogik auf einen bislang noch wenig beforschten Bereich angewandt”, so Prof. Lehmkuhl, “nämlich auf die Selbstreflexion des beruflichen Bildungsangebotes im tertiären Sektor, konkret auf die Berufsdomäne Kreativwirtschaft und auf die sie – mehr oder weniger gut – vorbereitenden designwissenschaftlichen Studiengänge an Hochschulen.”
0 Kommentare