Neues Sound Design der Bahn – ‘why does robin’ ist eine neue Unit der Berliner Brand-, Sound- und Motion-Designagentur why do birds, die sich mit der Disziplin ‘Service Design’ befasst.
Die kleine Agentur mit den großen Kunden hat sich auf die Fahne geschrieben, “die Lücke zwischen Markenstrategie und Kundenerlebnis zu schließen” und Prozesse so zu gestalten, “dass nicht nur die IT-Abteilung sich darin zurechtfindet.”
“Bitte warten.”
Frustrierende Erfahrungen mit der Deutschen Bahn sind tief in die Psyche zahlloser Passagiere eingesickert und auch das Nutzererlebnis von jährlich etwa 5 Millionen Bahnreisenden oder potenziellen -kunden, die telefonischen Rat suchten, war oftmals problematisch. Denn so manche Customer Journey endete in einem Labyrinth der Ansagen und generierte statt einer guten Reise ratlose und frustrierte Kunden, die entnervt auflegten. Vermutlich ist eines der herausforderndsten Projekte von ‘why does robin’, die Optimierung des Kundendialogs der Deutschen Bahn.
Angesichts der thematischen Vielfalt der Informationsanfragen wurde das Telefon-Portal DB Dialog nämlich zunehmend komplexer und immer kleinteiliger. Anrufer mussten zeitraubend durch immer mehr Menüpunkte navigieren, um schließlich einen qualifizierten Ansprechpartner zu erreichen.
‘why does robin’ hat die Herausforderung angenommen, das gesamte Portal niederkomplexer zu gestalten und auf größere Nutzerfreundlichkeit, intuitive Verständlichkeit und kürzere, nutzeraffinere Navigationspfade zu trimmen. Die schlankere Struktur des Portals sorgte schließlich für erheblich kürzere Wartezeiten.
Das Ziel: die Zahl zufriedenerer Kunden erhöhen und innerhalb des Telefonportals optimierte Prozesse – vom Wählen der Rufnummer bis zum Gespräch mit dem Servicemitarbeiter. Im Hintergrund ist dezent der schon 2014 von why do birds entwickelte Corporate Sound der Deutschen Bahn zu hören.
DESIGNBOTE Redakteur Dipl. Des. Wolfgang Linneweber sprach mit Ann-Christin Ahrens und Daniela Hensel, den beiden Geschäftsführerinnen von why does robin.
Daniela Hensel ist seit 2014 Partnerin bei why do birds und Professorin für Kommunikationsdesign an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin.
Ann-Christin Ahrens blickt als studierte Service Designerin unter anderem auf Stationen als Client Director bei MetaDesign zurück und ist Lehrbeauftragte an der HTW Berlin. Dort unterrichtet sie innovatives Design- und Projektmanagement.
Why Robin? Rotkehlchen oder Batman’s rechte Hand? Was hat Sie bei der Namensgebung inspiriert und warum? Munteres Gezwitscher oder auch die Vogelperspektive?
Sowohl als auch.
Der Name unserer Unit sollte einen ganz deutlichen Bezug zu Why do Birds haben. Und da bei uns der User im Zentrum steht, war klar, dass wir eine Art Persona-Name benötigen, der stellvertretend für alle Nutzerinnen und Nutzer von Marken steht. Das tolle an dem Namen Robin ist, dass er sowohl Männer- als auch Frauenname ist und aus dem Englischen übersetzt „Rotkehlchen“ heißt und somit ganz klar ein Teil der Birds-Familie ist.
Bestimmt hat die Agentur (bzw. ihre Gründerinnen) eine interessante Vorgeschichte … Wie kommt man zur Disziplin Sound Design / Branding? Mussten Sie musikalisch sein?
Bei why do birds haben wir sehr viele, sehr musikalische Kollegen und eigene Komponisten. Auf dieses Team können wir mit why does robin zurückgreifen. Gerade wenn es um Funktionalität geht, ist ein interdisziplinäres Team wichtig. Wir bei why does robin vertreten die Kundenperspektive und der Kunde ist unter Umständen auch nicht musikalisch.
Sprachbasierte Services werden immer relevanter. Warum ist das so und wo geht die Reise hin? (KI?)
Der Grad der Funktionalität ist oft noch sehr schmal. Siri zu bitten den Timer für die Nudeln zu stellen ist eine echte Erleichterung. Eine komplexere Frage zum Ergebnis der letzten Bundestagswahl kann schnell in der Sackgasse enden. Diese Diskrepanz zeigt die Aufgaben für die Zukunft: Angebote etablieren, die einen echten Mehrwert im Vergleich zu visuell gestützten Services zu schaffen und es wird sich nach und nach ein übergreifender Navigationsstandard etablieren. So werden frustrierende Momente einer nutzenbringenden Interaktion weichen.
Je eine weibliche und eine männliche Stimme führen die Anrufer anwenderfreundlich zum gewünschten Gesprächspartner. Gibt es dafür neben der Geschlechtergerechtigkeit einen tieferen (psychologischen?) Praxisnutzen?
Das Thema Geschlechtergerechtigkeit war bei der Runde der Verantwortlichen tatsächlich ein sehr wichtiges Thema. Und es ist wichtig, dass Unternehmen hier eine größere Sensibilität entwickeln. Darüber hinaus scheint der Wechsel zwischen männlicher und weiblicher Stimme auch die Konzentration zu fördern. Interessant ist jedoch, dass ältere Menschen den Wechsel teilweise gar nicht wahrnehmen. Das Thema ist so spannend, dass man dazu auch einmal im Rahmen eines Forschungsprojektes wesentlich tiefer bohren könnte.
Können Sie ganz grob die einzelnen Schritte skizzieren, mit denen why does robin dem finalen Idealzustand des DB Dialogportals angesteuert hat?
Wir starteten mit einer umfangreichen Analyse. Das Portal hatte damals fast dreimal so viele Themenpunkte, die Kunden ansteuern konnten. So fragten wir uns: Wo entstehen Missverständnisse? Wo gibt es thematische Doppelungen? Was kann weg, weil es niemanden interessiert? Wo stecken die ‘Painpoints’ in der Nutzerführung?
Im zweiten Schritt konnten wir den Kundenbeirat (Die insgesamt 30 ehrenamtlichen Mitglieder sind ausgewählte Stellvertreter vieler Kundengruppen, wie Pendler, Eltern etc.) zu Feedback bzgl. Stimmauswahl und Tonalität erfragen.
Veränderungen an der Oberfläche haben aber auch immer Auswirkungen auf interne Strukturen. Hinter einem Menüpunkt muss auch ein Team mit den entsprechenden Kompetenzen sitzen. Nicht jede/r Mitarbeiter/in kann alles wissen. Hier mussten wir uns sehr tief in die Organisationsstruktur und deren Prozesse einarbeiten.
Am Ende konnten wir dann in eine Testphase gehen und Nachbesserungen einarbeiten. Bis heute verbessern wir stetig das Portal. Wir führen in regelmäßigen Abständen qualitative Kundenbefragungen durch und bekommen so immer mehr einen Einblick in die Bedürfnisse der Nutzer. Dabei sehen wir genau hin. Wann erkennen wir Irritation oder einen erlösenden Aha-Moment? Wieviel gesprochenen Text kann man zumuten? Ab wann driftet man einfach weg?
Können Sie die Vorgehens- bzw. Arbeitsweise umreißen?
Im Grunde vom Stakeholdermapping, Shadowing, Fokusgruppen-Interview und Prototyping so ziemlich alles, was das Methodenrepertoire so hergibt.
Wie groß war das Team und wie waren die Rollen verteilt?
Wir waren zu Beginn ein Team von drei Servicedesignern und natürlich unseren Musikern und Soundstrategen. Bei uns ServicedesignerInnen gab es eine grobe Rollenaufteilung: Strategie, Design und Projektmanagement. Aber da wir alle DesignerInnen sind, war die Aufgabenzuordnung eher flexibel.
Wie lang hat das Projekt gedauert?
An der allerersten Version haben wir circa 10 Monate gearbeitet.
Gab es Hürden, die Sie bei der Planung nicht auf dem Zettel hatten?
Ich kann mich an keine wesentlichen Hürden erinnern. Das Projekt hatte aber durchaus das Potential für eine große Anzahl von Hürden. Zum Glück hatten wir bei der DB Dialog (einer Tochter der DB) ein extrem engagiertes Team. Potentielle Hürden sind sie bereits im Vorfeld angegangen. Die Geschäftsleitung hat unserem Projektteam mit viel Vertrauen den notwendigen Rückhalt gegeben, den so elementare Veränderungen eben auch brauchen.
Schon 2014 hatte why do birds das Corporate Sound Design für DB übernommen. Was waren seinerzeit die wichtigsten Briefingpunkte?
Bei der Entwicklung des Sound Design spielte damals die Kraft des Konzerns eine große Rolle. Der Sound sollte kraftvoll sein, die tausenden von PS der ICEs und Geschwindigkeiten von bis zu 300 Km/h klanglich übersetzen. Uns war das Rattern der Schienen wichtig, die Vibrationen im Zug und das Kern-Design-Element der „Horizontalen“.
Tonal leiten sich die Töne des Sound Logos aus dem klassischen Ding Dong des Bahnsteiggongs ab. Diese erklingen stets im Intervall einer absteigenden Terz. Interessanterweise stellen die Töne „D“ und „B“ eine solche Terz da. So nutzen wir für das Sound Logo die Töne D / B / B / B / B / B – quasi ein dynamischer Bahn-Gong.
Wie wurde das ideal aurale Ergebnis strategisch angesteuert? Konnte das Sound Design komplett inhouse realisiert werden?
Ja, wir bearbeiten alles Inhouse.
Wie wurde ermittelt, was die Bedürfnisse und Wünsche der doch sehr heterogenen Bahnkunden sind?
Hier hatten wir ja den Kundenbeirat (siehe oben), der mit seinen ehrenamtlichen Mitgliedern alle wesentlichen Kundengruppen abdeckt. Bei unseren Nutzerbefragungen achten wir auch darauf eine möglichst heterogene Gruppe zusammenzustellen um hier ein breites Bild zu bekommen. Aber ein Serviceprodukt mit 5 Millionen Nutzern im Jahr ist tatsächlich auch eine besondere Herausforderung.
Wie wird eine klare digitale Klangqualität von Sprache gegenüber dem konkurrierenden Corporate Sound gewährleistet?
Hier bestehen tatsächlich zwei konkurrierende Aspekte: Markenidentität und Nutzerfreundlichkeit. Wir haben die Punkte Sprachqualität und Brandsound immer wieder mit Usern getestet und optimiert. Dabei ist eines klar geworden: Die Marke will einen Brandsound, der Nutzer eher nicht. Es braucht jedoch einen akustischen Background, damit ich als Anrufer weiß, dass ich nicht aus der Leitung geflogen bin, sondern es einfach dauert. Das ist ein wenig so wie der visuelle Ladebalken auf Webseiten. Nur so viel zum jetzigen Zeitpunkt: Hier arbeiten wir an Alternativen.
Wie wurde – im Sinne allgemeiner Verständlichkeit für eine sehr heterogene Nutzerschaft – die Terminologie der Ansagen (und ggf. automatisierten Antworten?) erarbeitet?
Wir haben sehr konsequent alle Begrifflichkeiten mit Bahnterminologie aussortiert. Besonders interessant wird es mit Begriffen wie „Fahrgastrechte“, ein Begriff aus der aktuellen Rechtsprechung. Aber wer nutzt den schon? Hier mussten wir eine verständliche Umschreibung finden. „Hatte ihr Zug mehr als 60 Minuten Verspätung, dann …“
Welches unabhängige Marktinstitut hat die vollzogene Optimierung getestet und mit welchem Ergebnis?
Wir haben hier mit unterschiedlichen Partnern zusammengearbeitet. Den Usertest am Bahnhof z.B. haben wir gemeinsam mit dem Unternehmen Ipsos durchgeführt.
Frau Hensel, Frau Ahrens, vielen Dank, das Sie Zeit für uns hatten!
Bildquelle: why does robin
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