In der Serie „Inside the Monotype-Studio“ gibt der DESIGNBOTE exklusive Einblicke in die kreative Arbeit bei Monotype. In den ersten vier Interviews unserer Serie haben Type-Designer Jan Hendrik Weber, die Schriftdesigner Alexander Roth und Akira Kobayashi sowie Marianna Paszkowska, Font Engineer bei Monotype, Rede und Antwort gestanden. Exklusiv zur Neuauflage des Schriftenklassikers Helvetica beantwortet Type Director Charles Nix unsere Fragen über seine Arbeit und das umfangreiche Monotype-Projekt Helvetica Now.
Charles Nix ist Designer, Typograf, Pädagoge und Type Director bei Monotype. Er hat Hunderte von Büchern gestaltet und viele beliebte Schriften für Monotype entworfen, darunter Walbaum, Hope Sans und Ambiguity. Zuletzt arbeitete er intensiv an der Überarbeitung des Schriftenklassikers Helvetica. Mit Helvetica Now serviert das Monotype Font Design Studio aktuell eine Neuauflage der Schrift, wie sie umfangreicher nicht sein konnte.
DESIGNBOTE: Herr Nix, wie sind Sie eigentlich in die Schriftgestaltung eingestiegen?
Charles Nix: Ich denke, mein kreativer Vater hat mich inspiriert. Er war Drucker und ich habe von klein an Briefe entworfen. Meinen ersten “professionellen” Schriftzug für eine Reproduktion habe ich im Alter von zwölf Jahren gestaltet. Er war nicht toll, aber er wurde gedruckt und damit für gut befunden.
In der High School habe ich dann viele Schilder gemalt, aber erst am College der Cooper Union begann ich mit dem Entwerfen von Schriften – mit Tinte auf Karton. 1990 habe ich dann meine ersten digitalen Schriften für den Konzeptkünstler Hans Haacke entworfen. Später, als Buchdesigner, habe ich individuelle Schriften speziell für die Verwendung für neue Titel erstellt. Und Ende der 90er Jahre hatte ich bereits eine Handvoll Schriften für den kommerziellen Verkauf produziert.
Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?
Wahrscheinlich ist die Überarbeitung der Walbaum-Familie, die Carl Crossgrove, Juan Villanueva und ich gemeinsam umgesetzt haben, das Projekt, auf das ich besonders stolz bin. Carl und ich bewunderten beide seit langem Walbaums Entwürfe. Also haben wir seine Schriftmuster und Andrucke in New York, Leipzig und Berlin akribisch studiert, um seine original Schöpfungsidee zu verstehen und uns bei jeder modernen Adaption zu fragen: ›Wie würde er das machen?‹.
So kamen wir zu einem voll ausgestatteten, restaurierten Klassiker, der die heutigen Herausforderungen im Branding meistern kann. Carl war der Meister im Restaurieren der Textgewichte und ich kümmerte mich um die Display-Schnitte. Juan entwickelte und digitalisierte die Ornamente, die in Walbaums Original-Schriftmustern gefunden wurden. Technisch und ästhetisch ist die neue Walbaum für Print und Digital Publishing bestens gerüstet, eine neue Alternative für Editorial Design, Werbung und Branding. Das Projekt machte viel Freude, vor allem durch das Fachwissen und das Engagement innerhalb der Monotype-Familie.
An welchen Projekten arbeiten Sie derzeit?
Zuletzt habe ich mich intensiv mit der Neuauflage des Schriftenklassikers Helvetica beschäftigt. Mit Helvetica Now haben wir eine Schrift entwickelt, die für die gestalterischen Anforderungen des 21. Jahrhunderts konstruiert ist – aber gleichwohl an die Qualitäten der so beliebten Ur-Helvetica von 1956 anknüpft: Ebenso präzise im Design, ohne überflüssige Details und so neutral wie möglich.
Die letzte Überarbeitung – Neue Helvetica – liegt 35 Jahre zurück. Seitdem fanden fundamentale Veränderungen statt, denken wir nur an PostScript und das Desktop-Publishing, die Erfindung des Internets und den Siegeszug der mobilen Kommunikation, bei denen Helvetica stets eine wichtige Rolle spielte, ohne irgendwelche metrischen oder ästhetisch Anpassungen.
Mit Helvetica Now haben wir die Familie in allen Details für die digitale Kommunikation gerüstet. Dabei haben wir auch jede Menge Anregungen aus Nutzerkreisen aufgegriffen, um die Leistung der Schrift in traditionellen wie auch neuen Einsatzbereichen zu verbessern. Die neue Helvetica Now ist eine Gemeinschaftsarbeit des Monotype Font Design-Studios. Diesmal bin ich der Mikro- und Textdesigner (mit Alex Roth und Hendrik Weber als Meister der Darstellung). Es ist eine Ehre, so ein wichtiges Update mit gestalten zu dürfen und eine echte Freude, Teil eines so talentierten, engagierten Teams zu sein.
Welches sind die wichtigsten Änderungen gegenüber dem Original und der Neuen Helvetica?
Für mich ergeben sich drei Ebenen, in denen wir starke Veränderungen vorgenommen haben. Da fallen zunächst die alternativen Buchstabenformen ins Auge. Für einige Zeichen gibt es Varianten, die manche Benutzer möglicherweise nie vermisst haben … oder man hat sich and die Standardformen gewöhnt: das versale G und das versale R zum Beispiel, oder die Kleinbuchstaben a, l, t und u.
Die neuen, populären Spielarten sind der Standard in vielen Sans-Schriften und geben Helvetica nun einen optionalen zwanglosen Twist. Darüber hinaus haben wir dem Zeichensatz runde Punkte hinzugefügt (in Satzzeichen und Akzenten), wohlgemerkt als Alternative, nicht als neuen Standard. Einige der alternativen Zeichen wurden übrigens bereits vor Jahrzehnten in Erwägung gezogen, aber nie nachhaltig integriert.
Eine zweite wichtige Erweiterung der Schrift ist die Rückbesinnung auf optische Größen. Tatsächlich gab es bei der Einführung bereits verschiedene Designs für unterschiedliche Größen, aber nachdem Neue Helvetica auf den Markt kam, wurde nur die 12-Punkte-Version digitalisiert, die seitdem für alle Textgrößen eingesetzt wird. Nun haben wir Fassungen für sehr kleine Texte noch die für Headlines digitalisiert. In Helvetica Now heißen sie Mikro und Display.
Die dritte Änderung ist wichtig, fällt aber kaum ins Auge. Wir haben jedes Zeichen der kompletten Familie neu gezeichnet, um sie so klar und einfach wie möglich aufzubauen und sie nach den neuesten Anforderungen der digitalen Font-Technologie zu konstruieren.
Wen würden Sie als Ihre persönlichen Design-Helden bezeichnen?
Da gibt es einige. Wie die meisten Schriftdesigner bin ich ein Fan von Dwiggins. Ich sammle seine Arbeiten seit etwa 30 Jahren. Ich liebe die Arbeiten von Bradbury Thompson, Cipe Pineles, Leo Lionni, Ladislav Sutnar und Jan Tschichold. John Baskerville und Giambattista Bodoni sind tolle Designer.
Ebenso das Vater-Sohn-Duo Morris Fuller Benton und Linn Boyd Benton achte ich sehr. Ellen Lupton ist eine Designheldin. Und es gibt noch viele mehr. Vor allem bewundere ich Menschen, die Typografie gut machen; ich bewundere Menschen, die Typografie gut verwenden; und ich bewundere Menschen, die über Typografie lernen und schreiben. Aber ganz besonders bewundere ich Menschen, die zwei oder alle drei dieser Dinge gleichzeitig tun.
Wo finden Sie Inspiration?
Unsere Kunden geben mir fast alle Anregungen, die ich brauche. Gutes Design muss polarisieren. Und hier in New York ist die Inspiration so allgegenwärtig, dass es eher darum geht, nicht zu stark beeinflusst zu werden. Aber wenn ich ehrlich bin, bin ich in meinem Leben an einem Punkt angekommen, wo ich meine Inspiration an eher gewöhnlichen Orten finde: in meinem Bett um 3:45 bis 4:30 Uhr; unter der Dusche; in der U-Bahn – mit einem kleinen Skizzenbuch und einem Bleistift; und während langen Fahrten wenn ich Zeit zum Nachdenken habe.
Was ist Ihrer Meinung nach der wichtigste Trend im Schriftdesign?
Der wichtigste Trend im Schriftdesign ist das rasante Wachstum und die gesteigerte Nachfrage nach Corporate Fonts. Die Investition in eine maßgeschneiderte Schrift oder Familie für ein bestimmtes Projekt oder eine Marke – ist sehr wertvoll und geschieht immer häufiger. Es fordert uns Schriftgestalter heraus, neue typografische Ausdrucksformen zu kreieren und diese an die Bedürfnisse und Wünsche unserer Kunden anzupassen. Und es fördert typografische Innovationen.Vielen lieben Dank für dieses informative Gespräch und den Einblick in die Arbeit von Helvetica Now, Herr Nix!
Bilder: Monotype #HelveticaNOW #HelveticaInTheWild
Porträtfoto von Charles Nix: Matt Carr
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