Seit den Anfängen im Essener Kolonialwarenladen von Karl Albrecht sen. anno 1913 hat der Discounter eine beispiellose Karriere hingelegt. Zehn Jahre nachdem seine Söhne Karl und Theo ab 1945 den väterlichen Laden übernommen hatten und als AG expandierten, hatte ALDI in NRW schon über hundert Filialen. 1961 wird das ALDI-Reich in Nord und Süd aufgeteilt, angeblich wegen Unstimmigkeiten über die Aufnahme von Zigaretten ins Sortiment.
Schneller Warenumschlag, Barzahlung und reichliche 30 Tage Zahlungsziel erlaubten eine rasche Expansion – ohne Bankkredite – und führten zur Marktführerschaft des heute in familieneigenen Stiftungen organisierten Zwillings-Konzerns in Deutschland und ein weiteren Ländern. In Sachen Innovation tat sich indes oft ALDI Süd hervor, der z.B. ab 2006 die bis dato spartanischen Filialen modernisierte. Statt der tragenden Philosophie “Discount als die Kunst des Weglassens” bildeten die gebastelt wirkenden Logos der beiden ALDIs indes eher den Aspekt ‘billig’ ab.
Als ALDI Süd jüngst ein neues Logo präsentierte, da rollten denn auch die Pupillen der Experten verzweifelt himmelwärts.
Alt: Über einem weiß geletterten ‘ALDI’ evozieren hellblau gerahmte, ebensolche Streifen auf dunkelblauem Grund ein von rot, orange und gelb umrahmtes ‘A’. Die Radien scheinen auf den Geschmack der Achtzigerjahre zu verweisen. Der Gesamteindruck wirkt billig wie eine Pril-Blume über Omas Edelstahlspüle.
Neu: Das mit viel gutem Willen erkennbare ‘A’ hat durch den eingesparten Rahmen den zum unproduktiven Schnörkeln notwendigen Raum gewonnen. Seine nunmehr anmutig räumlich wirkenden Streifen wirken aufgeräumter und durchaus prägnanter. Der Schriftzug ALDI mit dem um der Alleinstellung willen gebogenen L indes scheint dem Bastard-Font eines kostenlosen Grafikprogramms entsprungen.
Der große Logo-Wurf eines Players mit globalen Ambitionen sieht anders aus. Für den selbstbewussten Auftritt hätte man extreme Reduktion erwartet. Doch um Reduktion am heißumkämpften Aufmerksamkeitsmarkt durchzusetzen muss man früh aufstehen. Da hat der Wecker schon vor dreißig Jahren geklingelt.
Mir fällt, hey mobile first, sofort ein blaues A im roten Kreis ein. Beides bitte extrabold. Aber vielleicht hatte ja die Logo-Recherche des beauftragten Markenrechtlers bei so viel Reduktion schlicht zu viele Kollisionen gezeitigt?
Fast einmütig lasen sich die Verrisse der Gestaltungsexperten: Mit Farben und Effeklten überladen, widerspricht das neue Logo dem Markenkern.
Aber vielleicht liegt ja einer der vom Marketing-Magazin Horiziont befragten Logo-Experten gar nicht so falsch, wenn er vermutet, dass sich das ‘A’ mit seiner plastischen Bänder-Anmutung dem chinesischen Geschmack anbiedern soll. Mir drängen sich sofort Bilder von über anmutig über die Matte hopsenden Gymnastinnen auf, die mit meterlangen Seidenbändern kapriziöse Schnörkel in die Hallenluft malen.
Ein Blick zurück in die Geschichte zeigt: Nicht zum ersten Male musste der akademische Geschmack einem größeren Ziel geopfert werden. Und jeder Petrijünger weiß: Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. ALDI wird am Besten wissen was gut für die Marke ist.
PS.: Dem Autor dieser Zeilen fällt ein Erlebnis aus den frühen Achtzigern des letzten Jahrhunderts ein, als uns mein mutiges Re-Design des hässlichen rot-grünen (würg) EXTRA-Schriftzugs um die Ohren gehauen wurde. Die entscheidenden Herren wollten im Grunde nur für gerundete Ecken bezahlen. 2009 wurden die 250 Filialen in REWE umgeflaggt, was auch etwas besser aussah.
0 Kommentare