Bislang gibt es kein universelles Logo für Menschenrechte – deshalb wurde der Design-Wettbewerb ins Leben gerufen, der zum Schluss 15.369 eingesendete Logos verzeichnen konnte. Die Jury hat die Top 10 Logos ausgesucht und nun dürfen die Menschen selbst entscheiden, welches Logo sie und ihre Rechte vertreten soll. Was hältst du von den »Top 10« – und welchem Logo gibst du deine Stimme?
Man betrachte bitte insbesondere die hochspannenden Kommentare zu der Veranstaltung, die von namhaften Designern zu diesem kurzen Beitrag richtiger Weise ergänzt wurden. Grund genug, den Artikel von »Kurz & Knapp« voll aufzuwerten.
15 Kommentare
Andreas K.
HUMAN RIGHTS …oder WRONGS?
Vielleicht hätte man im Eingangstext noch erwähnen sollen, dass es sich hier nicht um einen der üblichen Designwettbewerbe handelte, zu dem man anonym seinen Entwurf einschickt und eine kompetente Jury aus Fachleuten wählt dann einen zum Sieger. Es war ein so genanntes »Crowdsourcing« im Internet, das über drei Monate lief. Alle Vorschläge waren ab dem Zeitpunkt ihres Hochladens online und von jedermann/frau zu sehen. Dilettierende Laien wie auch ausgewiesene Design-Profis konnten sich also nach Herzenslust von den Ideen des jeweils anderen »inspirieren« lassen.
Zahlreiche Teilnehmer und Beobachter bemängeln nun, dass noch während des laufenden Wettbewerbs die Experten-Jury ihre persönlichen Favoriten mit kleinen blauen Sternen markiert hat, was zu einer möglichen Wettbewerbsverzerrung führte. Denn auch diese Sterne waren unter den betreffenden Logos sichtbar. Wie übrigens auch die Namen und Wohnorte vieler Einsender. Früheinsender von Entwürfen konnten zudem mehr Stimmen (»Likes«) anhäufen als Teilnehmer, die erst später in den Contest eingestiegen waren. Damit konnten sich Erstere viel leichter einen Platz unter den Top100 sichern (die Anzahl der Likes entschied darüber wer in die Top100 kam).
Doch zur größten Empörung führte die Enthüllung eines Teilnehmers, dass offenbar einige Einsender bis zu 76(!) Fake-Profile und Mehrfach-Nicknames angelegt hatten, um damit ihre eigenen Logos in die Halbfinal-Auswahl zu voten (=Top100). Und aus diesen 100 Halbfinalisten wählte die Jury in geheimer Wahl schließlich diese letzten 10.
Nicht wenige fordern daher einen sofortigen Stopp des noch bis Ende September laufenden Entscheids. Nicht zuletzt weil ein massives und geschicktes Netzwerken einiger den ursprünglich demokratischen Charakter des Contests völlig ad absurdum geführt hat. Einige mobilisierten über 300 ihrer Facebook-Freunde, damit diese für einen bestimmten Entwurf stimmten. Das war laut Reglement zwar nicht verboten, wirft aber ein zweifelhaftes Licht auf das Endergebnis. Auch wird argumentiert, dass durch massive technische Manipulation einiger Teilnehmer (z.B. dem Einsatz unterschiedlicher Browser und Mehrfach-Accounts) ein faires und von einer breiten Bevölkerungsmehrheit getragenes Endergebnis überhaupt nicht mehr zu gewährleisten sei. Und Letzteres war ja ursprünglich die Absicht der Initiatoren: Ein von der ganzen Welt gewähltes und getragenes Menschenrechts-Logo.
Fakt ist: Die Mehrheit derer, die unter der Missachtung ihrer Menschenrechte leiden, besitzen überhaupt keinen Internet-Zugang. Wahrscheinlich wissen sie noch nicht einmal von der Existenz dieses Wettbewerbs. Und ob alle diese 10 Symbole die wichtigste Prämisse des Organisators erfüllen, die da lautet: Jeder Mensch auf der Welt sollte das Zeichen leicht mit einem Stock in den Sand kratzen können… ? Ich habe so meine Zweifel.
klaus dörre
Angesichts unerwarteter weit über 15.000 (!) Einreichungen aus aller Welt machten technische Probleme und die Tatsache, dass die vorgegebenen Regeln eine faire Abstimmung scheinbar nicht mehr gewährleisten konnten, den von der Bundesrepublik Deutschland (Außenministerium) und neun anderen Ländern initiierten “Human Rights Logo” Wettbewerb zunehmend zur Farce. Im offiziellen Human Rights Facebook Forum regt sich deshalb heftiger Widerstand. Zumal Teilnehmer/innen schon vor Wochen vor einem (irregulären) Chaos warnten.
Die Tatsache, dass “Networker” Entwürfe, die offensichtlich nicht Logo tauglich sind (und nicht den Briefingkriterien entsprechen), mit Manipulationen und laut Regeln nicht erlaubten Mitteln bis in die Top 100 pushten und damit ernsthafte, gute Designs ihrer Chancen beraubten sorgte ebenfalls für Kritik.
Zumal die Wettbewerbsleitung nicht dagegen einschritt und konstruktive Kritik im Sinne der Qualität eines Logos für Menschenrechte und eines fairen Wettbewerbsverlaufes unter Verweis auf die von Anfang an bekannten “Regeln” abschmetterte.
Die “Opposition” im Wettbewerb – durchaus ernstzunehmende Kreative – war der Meinung, dass die Regeln geändert werden müssen, wenn die Umstände, für die sie gesetzt wurden, sich – wie aktuell der Fall – radikal geändert haben. Sie beharrte auf einer Modifikation der Auswahlkriterien für die Top 100, die helfen sollte, dass Qualität mehr zählt als Unterstützung durch möglichst viele “Netzwerkfreunde” oder, wie sich nunmehr herausstellte, durch die Einrichtung unzähliger Scheinkonten mit dem einzigen Zweck für sich selbst zu stimmen.
Die Tatsache, dass die prominente internationale Jury aus diesen irregulär zustande gekommenen Top 100 nun die Top 10 für die weltweite Abstimmung auswählte und darin wiederum Logos zu finden sind, die entweder nicht den Briefingvorgaben entsprechen, oder nachweislich durch Manipulation in die Vorauswahl kamen, sorgt für Entsetzen. Und lässt viele Teilnehmer daran zweifeln, ob es sich noch um einen seriösen Wettbewerb im Sinne der Ausschreibung handelt.
Die Frage ist: Wieviel Demokratie und Kooperation war in diesem Wettbewerb für ein Logo für Menschenrechte von der Wettbewerbsleitung “gestattet”. Oder anders ausgedrückt: Sollten die TeilnehmerInnen nur “Lieferanten” für einen Marketing- oder Imageevent sein?
Wir, die Teilnehmer/innen, wollten von Beginn an im Sinne der Vision und des Briefings des Wettbewerbs aktiv dazu beitragen, dass die Welt das bekommt, was sie braucht und verdient: Nämlich ein allgemein verständliches, ausdrucksstarkes Logo für Menschenrechte, das von jedem Menschen leicht anwendbar ist. Wir haben nicht wegen des „Ruhmes“ oder des „Geldes“ teilgenommen und schon gar nicht um „unbedingt“ gewinnen zu wollen. Wir nahmen an diesem Wettbewerb teil um ZUSAMMEN ein Logo zu schaffen, das einfach und klar für das menschliche Bedürfnis nach Menschenrechten steht.
Mit besten Grüßen
Ricardo Martelletti (Uruguay), Goran Petko (Croatia), Hartmut Herr (Germany), Michael Schulze (Germany), Klaus Dörre (Austria), Andreas Karl (Austria), Garia Shameer (Mauritius), Shereen Raafat (Egypt), Richa Varuna (India), Katrin Albinus (Germany), Birgit Lenth (Germany), Hércules José Silva Dias (Brasil), Annette Jordan (Austria) für (aktuell) über 40 TeilnehmerInnen und Mitglieder einer neuen “Human Rights” Designergruppe
Florian Hirschmann
»40 TeilnehmerInnen und Mitglieder einer neuen “Human Rights” Designergruppe« – können wir Hintergründe und Informationen zu dieser Gruppe erhalten? Es scheint doch eine unterstützenswerte Initiative zu sein.
klaus dörre
http://www.facebook.com/groups/262852083732663/
Andreas K.
Hi Florian, es handelt sich um eine (geschlossene) FB-Gruppe von im Moment noch 44 Designern. Fast alle von uns hatten an dem o.g. Wettbewerb teilgenommen und schon während er lief bestimmte Missstände und Ungerechtigkeiten kritisiert. Wer aktiv mitmachen möchte, ist herzlich eingeladen, kann aber erst nach Mehrheitsbeschluss in die Gruppe aufgenommen werden. Wir möchten dadurch verhindern, dass auch Leute in die Gruppe kommen, die im Bewerb faule Methoden und unfaire Tricks angewandt haben um ihr Human Rights-Logo nach vorne und tatsächlich bessere Entwürfe nach hinten zu pushen.
klaus dörre
P.S.: Diskussion auf der offiziellen Facebook seite des Wettbewerbs:
http://www.facebook.com/humanrightslogo
klaus dörre
P.P.S.: RESUMEE: As a graphic designer, activist and an idealist I was fascinated by the idea of creating a logo for human rights for the world. As a human being I felt humiliated by the way this contest and the constructive criticism of my collegues and me was handled by the direction of this contest. As a realist I think it is a pseudointellectual illusion, that the people in the streets of cairo, damaskus, libya, china …. have the need and have been waiting for such a symbol “given” by us …
So I think a human rights logo is urgently necessary for institutions and NGOs who want to help people to gain their human rights all over the world. But the people fighting in the streets allways found and will find/create their own symbols. And these symbols will always be more authentical than any logo constructed in any contest at all. thats my opinion.
Oliver Schuh
Crowdsoßing …
… kann ich da leider nur sagen. Ein erstklassiges Beispiel dafür, wie sorglos »Designer« immer wieder mit den eigenen und anderer Leute Ressourcen umgehen.
Ein Beispiel leider auch dafür, wie wenig konzeptionelles Hirnschmalz seitens der Initiatoren eingebracht wurde.
Diese Wo/men-Power hätte man wahrlich karitativer einsetzen können.
Ich hoffe aber, man lernt daraus.
klaus dörre
ABSOLUT enttäuschend für mich in dem zusammenhang mit diesem wettbewerb, dass sich designgröße erik spiekermann nicht eindeutig zu den irregularitäten geäußert hat (soweit mir bekannt ist …) und in einem (sonst ausgezeichneten) interview folgenden satz geäußert hat:
“Ich kann nur hoffen, dass die ersten Plätze nicht doch an einen Profigrafiker aus einem westlichen Land gehen, denn dann wäre das Geschrei gleich wieder groß.”
nachzulesen unter folgendem link:
http://blog.zdf.de/dermarker/archives/5727
da scheint es dann schon fast “wurscht” zu sein, ob die betreffenden “sieger” dann fair oder unfair in die vor- und endauswahl gekommen sind … hauptsache image, politik und ideologie sind nach außen “schön” …
klaus dörre
p.s.: Erik Spiekermann war/ist einer der Juroren des Human Rights Logo Wettbewerbs!
E.
Also … „Demokratische“ Abstimmungen im Internet sind wahrscheinlich eher selten ein gutes Instrument, wenn es um ein ernstes Thema geht. Sie enthalten unfaire Elemente, sobald ein kleiner Teil der Mitwirkenden entschlossen danach strebt, dass 1. das eigene Logo, 2. das Logo eines Facebook-„Freundes“, 3. das Logo eines Einsenders in der eigenen Stadt gewinnt. Die Frage, (4.) wer welches „Land vertritt“, – ebenfalls ein sachfremdes Kriterium – spielt derzeit mit Sicherheit auch eine Rolle. Da helfen dann Facebook-Aufrufe, ggf. illegale Mehrfach-Accounts, einzelne Zeitungsartikel und ein Wählst-du-mich-dann-wähl-ich-dich-Stimmenaustausch.
Ich habe in den letzten Wochen ab und zu einmal geschaut, wie Stimmen im Internet zustande kommen können. Natürlich ist es legal, wenn in einem Zeitungsartikel oder Bericht im Internet ein bestimmtes Logo und sein Erfinder im Mittelpunkt stehen. Natürlich ist es legal und sozusagen menschlich verständlich, wenn der Einsender oder jemand, der dem Einsender wohlgesonnen ist, in Facebook ein konkretes Logo abbildet und damit ja wohl auch bewirbt. Aber die Grundidee des Wettbewerbs, so wie ich sie verstanden habe, war ja einmal: Man schaut sich in der „Community“ viele Symbole an und überlegt nach sachlichen Kriterien, welche Idee man sich am ehesten für ein Menschenrechts-Logo vorstellen könnte. Das ist tendenziell etwas anderes als der Vorsatz: Ich will einem bestimmten Logo zum Sieg verhelfen. Fazit: Je mehr (Eigen-)Werbung, desto mehr Gewinnchancen. Wie stark die (Eigen-)Werbung dann letztlich das Gesamtergebnis beeinflusst, hängt davon ab, wie viele „unabhängige“ Leute noch mit wählen.
Andreas K.
@ »E«!
Natürlich war allen Beteiligten von Anfang an klar, dass manche hier ihre facebook- und Nicht-facebook-Freunde, die gesamte Familie, Verwandten und sogar die Oma im Rollstuhl für das eigene Logo heran karren würden. Das war laut Reglement ja auch nicht verboten. Was die Multiple-Fake-Profile angeht, so sehe ich hier aber schon ein gewisses Bescheißerle-Potenzial gegeben.
Fragwürdig ist bzw. war meiner Meinung nach auch mehr das Wahlverfahren. Erst durften »Likes« von Einsendern für Einsender abgegeben werden, dann mischte die facebook-Gemeinde über den Gefällt-mir-Button mit. Dann legten sich Nicht-Einsender Profile an um »Favorites« wählen zu können, dann gab es die Top100 und eine angeblich unabhängige Jury aus Fachleuten und Nobelpreisträgern wählte daraus 10 Finalisten (nur nach welchen Kriterien?).
Und als wäre das alles nicht schon verworren genug, darf jetzt wieder von der ganzen Welt online geklickt werden.
Irgendwie kommt mir das vor wie ein Segelschiff mit 20 Rudern: Jeder darf ein wenig daran drehen und den Kurs in eine bestimmte Richtung manipulieren. Das soll dann Demokratie sein. Mir wäre aber ein Segler mit nur einem Käpt’n und klarem Kurs lieber gewesen.
E.
Stimme zu. – Wenn jetzt wenigstens “die ganze Welt” wählen würde und von dem Wettbewerb wüsste, das wäre ja gut. Meine Vermutung ist aber eher, dass die Stimmabgabe sich überproportional auf einzelne Länder konzentrieren wird. Ich wäre wirklich froh,wenn diese Vermutung völlig widerlegt würde.
Andreas K.
Drei Milliarden Menschen – das ist fast die Hälfte der Weltbevölkerung – haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Wie könnten sie da Zugang zum Internet haben?
E.
Stimmt natürlich.
Ich meinte aber eher, dass schon die Staaten mit Internetversorgung, die zusammen ja zumindest einen beachtlichen Teil der Welt ausmachen, sich evtl. in deutlich unterschiedlichem Maße beteiligen könnten und es hier bereits Ungleichgewichte geben könnte. (Von den Ländern, die im Alltag andere Sorgen haben als über ein Logo abzustimmen mal ganz abgesehen!)