Typografie verleiht Filmen eine starke Stimme, noch bevor der ersten Szene. Sie vermittelt den Charakter des Films und sorgt für Aufmerksamkeit beim Publikum. Und auch das Branding und Merchandising profitieren von ihr. Für Friedrich Althausen, Schriftexperte bei Monotype, liegt es deshalb auf der Hand, dass Filmtypografie eine eigene Oscar-Kategorie braucht.  

Filmtypografie

Mit der wachsenden Beliebtheit von Streaming-Plattformen sind auch die Anforderungen  an das Titeldesign gestiegen. Da die Nutzer von Netflix, Prime, Paramount und Hulu Mikrosekunden damit verbringen, zwischen den Titeln von Filmen und Serien zu scrollen, müssen die Produzenten lernen, ihre Titel hervorzuheben und den Zuschauern visuell etwas mitzuteilen, ohne sich ausschließlich auf die Bildsprache zu verlassen. Dabei spielt die Filmtypografie eine wichtige Rolle, sticht sie doch sofort ins Auge und hat einen starken Widererkennungswert.

Serien wie Game of Thrones und Stranger Things machen es vor

Die Schrift für Game of Thrones aus der Feder von Designer Charlie Samways verrät beispielsweise sofort, dass es sich um eine epische Fantasy-Serie handelt. Bei Stranger Things versprüht die Benguiat gruselige 80er-Jahre-Vibes und Marke Johnson’s gelbe Schrift für die Serie Poker Face versetzt uns in die Zeiten von Columbo. Saltburn geht noch einen Schritt weiter und inszeniert eine düstere Grabsteinszene mit einer Anspielung auf die Times New Roman.

Designexperten sind sich einig: eine gut gemachte Schrift hat die Energie einer Hauptfigur. Sie ist ein mit entscheidender Faktor für den Erfolg an den Kinokassen. Wäre es nicht an der Zeit, dass neben Szenenbild, visuellen Effekten oder Make-up und Hairstyling auch das beste Schriftdesign eine eigene Oscar-Kategorie erhält? Genügend Argumente dafür gibt es.

Wichtig fürs Branding

Bereits in den 1950er Jahren wurde das Schriftdesign für die Leinwand populär, als Designer wie Saul Bass begannen, mit neuen Animationstechniken für Filmtitel wie North by Northwest und Vertigo zu experimentieren.

Ende der 70er Jahre schaffte es das Star Wars Logo, eine der einprägsamsten und beständigsten Filmmarken zu schaffen. Ein heller Schriftzug bildet die Logogrundlage. Das „W“ in „Wars“ wurde absichtlich scharf, spitz und einschüchternd gestaltet und sollte Macht vermitteln. Es war eines der besten Logos jener Jahre, und machte Star Wars zu einer starken Marke. Merchandising und richtiges Marketing haben dazu beigetragen, dass man kaum ein Kind findet, das nicht ständig seine Eltern nach einem Mäppchen, einer Schultasche oder einem Spielzeug mit Star Wars-Logo darauf gefragt hat. Natürlich gibt es auch viele Erwachsene, die solche Merchandising-Waren kaufen.

Keine Helden: Papyrus und Avatar

In den letzten Jahren wurden Filme, die der Schriftgestaltung weniger Aufmerksamkeit schenkten, sogar parodiert. Das zeigt, wie wichtig ein passendes Schriftdesign ist und den Charakter des Films einfängt. Beispielhaft hierfür ist ein YouTube-Spot, in dem der von Ryan Gosling gespielte Steven von wiederkehrenden Träumen über den „professionellen“ Grafikdesigner heimgesucht wird, der die generische Schrift Papyrus für James Camerons Blockbuster Avatar ausgewählt hat: „Er klickte auf das Dropdown-Menü und entschied sich zufällig für Papyrus“, erzählt Steven seiner Therapeutin und kann es einfach nicht fassen.

Im Jahr 2020 hat die Pandemie mit ihren Lockdowns dazu geführt, dass viele Filme zunächst auf den kleineren Bildschirmen zu Hause debütiert haben oder nur sehr kurze Kinolaufzeiten hatten, bevor sie bei einem Streamingdienst veröffentlich wurden. In Folge rückte die Schriftgestaltung noch mehr in den Vordergrund, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu gewinnen.

Barbenheimer-Memes und Mash-Ups experentieren mit Typografie

Filmtypografie ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Mainstream-Kultur. Barbenheimer-Memes und Mash-Ups mischen Schriften von Barbie und Oppenheimer, obwohl der Hype um beide Filme kaum unterschiedlicher hätte sein können. Barbie ist pink, hübsch und aus Plastik. Oppenheimer ist Feuer und Schwefel, der Zerstörer der Welten. Während die Kinos sich darauf vorbereiteten, einen Film nach dem anderen zu zeigen – und die Zuschauer sich sich nicht einigen konnten, welchen sie zuerst sehen sollten – lief die Meme-Fabrik bereits auf Hochtouren.

Zudem ist die Verwendung von Schrift im Film nicht nur auf Titel und die Eröffnungssequenzen beschränkt. Wes Anderson hat in seiner mittlerweile fast 30 Jahre andauernden Schaffenszeit einen unverwechselbaren Stil geschaffen: Set-Design und Kostüme des oscarprämierten Regisseurs zeichnen sich durch Vintage-Flair und akribisch zusammengestellte Farbpaletten und ausgefallene Kameraführung aus. Dabei nutzt er Schrift in Verbindung mit der Kunst des Produktionsdesigns, um unverwechselbare und fesselnde Welten zu schaffen. Und auch die erfolgreiche Krimi-Serie „Knives Out“ ist ein Beispiel dafür, dass Typografie ein wichtiger Teil des Brandings ist, so wie der Schriftzug des Star-Wars-Logos viele Jahre zuvor eine Ära geprägt hat.

Academy Award für das beste Schriftdesign

Filmtypografie hat es verdient, mehr Beachtung zu finden, trägt sie doch enorm dazu bei, dass Filme im Kopf bleiben. Umso wichtiger ist es, dass hoffentlich bald der erste Academy Award für das beste Schriftdesign verliehen wird, um sicherzustellen, dass Filmschriften und Designer- für ihre wichtige Rolle anerkannt werden, die sie bei der Gestaltung der visuellen Identität, des Brandings, des Merchandising und des Marketings von Filmen und der Populärkultur auf der ganzen Welt spielen.

Über den Autor

Friedrich Althausen leitet als Senior Type Designer beim Schrift und-Technologie-Spezialisten Monotype Schrift-Projekte am Standort Berlin. In seiner Rolle begleitet er den gesamten kreativen Prozess für internationale Kunden wie z. B. Balenciaga, Teamviewer, Hasbro oder Captain Morgan. Zudem vertritt Althausen das Monotype Studio mit Vorträgen über aktuelle Entwicklungen in der Welt der Schriften auf Konferenzen und Designevents.

Credits: Monotype