DESIGNBOTE Redakteur Wolfgang Linneweber sprach mit Oliver Voss.

ALDIs Frischekampagne bespielt alle Kanäle: Online, Bewegtbild, Plakat und Print. Ist dieser Medienmix typisch Voss?

„Ja, das ist es. Wir nennen es „Mixed Martial Ads“: Die Kunst, die Werbe-Kanäle so zu mixen, wie es für jedes Projekt am besten ist und dabei jeden Kanal so schlagkräftig wie möglich zu machen. Für unsere ALDI-Kampagne zur Wahl heißt dies: Da sein, wo politische Werbung wahrgenommen wird.
Auf Plakaten, in Anzeigen und Online mit ganz kurzen Bewegtbild-Filmen. Zusammengehalten wird die Kampagne durch den Begriff „ALDInativlos“ und die witzigen Politikerfiguren aus frischen Produkten.“

Aldinativlos Oliver Voss

Aldinativlos – Oliver Voss

Bevor Sie Werbetexter wurden, haben Sie als Lokalredakteur zu schreiben begonnen. Welche Skills von damals sind Ihnen bis heute noch nützlich?
„Struktur und Spürnase.“ 

Was bedeutet das genau?
„Struktur heißt: Jeder Artikel braucht eine klare Gliederung, damit sich das Publikum zurechtfindet: Von einem spannenden Anfang über die wichtigsten Fakten bis zu einem kurzweiligen Ausstieg, der idealerweise zum Anfang zurückführt und das Ganze abrundet. Und genau das braucht auch eine gute Werbung: Spannung am Anfang, Fakten und Substanz zum Verkaufen und eine Nettigkeit am Schluss.“

Und was meinen Sie mit ‚Spürnase‘?
„Ein Gefühl für das, was wichtig ist. Ich habe ein Gespür dafür, was die spannenden Fakten sind. Bei Interviews mit Protagonisten für meine Zeitungsartikel waren es ganz bestimmte Sätze, die ich mir sofort notiert habe und die später zu wichtigen Zitaten wurden. So ist es auch beim Briefing mit Kunden oder bei der Abstimmung mit meinen Kreativen: Ich spüre, was die Nuggets sind, auf denen eine gute Kampagne basieren kann.“

Ihre Agentur arbeitet sehr eng mit dem Kunden. Wie weit geht diese Arbeitsweise? Gibt es bei Ihnen so was wie ‚Embedded Creatives‘?
„‚Embedded Creatives‘? Das gefällt mir. Und es stimmt. Wir sind unseren Auftraggebern sehr nah. Und genau das unterscheidet uns von anderen Agenturen. Denn dort gibt es viele Gräben, die erst mal überwunden werden müssen: Kreation und Beratung trennt ein Graben. Agentur und Kunde trennt ein weiterer Graben.“

Und bei Ihnen?
„Wir kümmern uns um all das nicht, sondern nur um Kreation. Ideen, Ideen, Ideen – den ganzen Tag lang. Und sehr, sehr viele. Dadurch fühlen sich alle Seiten sehr sicher und die Begeisterung ist jederzeit und überall da.“

Was heißt das konkret?
„Wir gehen mit vielen verschiedenen Konzepten zum Kunden. Und das schätzen unsere Kunden sehr. Wir verkopfen die Sache nicht durch zuviel abgehobene Strategie, die der Kunde im Zweifel selbst kann und in und auswendig kennt. Wir zeigen unseren Kunden lieber das, was unser Metier ist: Kreation!“

Sind Sie deshalb seit fünf Jahren in der Top Twelve der kreativsten Agenturen Deutschlands?
„Genau. Und zwar mit einer Mannschaft von 25 kreativen Köpfen! Das zeigt schon, was für einen hohen kreativen Output wir haben. Es mangelt uns nie an Lösungsvorschlägen und wenn eine Idee gefunden ist, lieben wir es, sie absolut leidenschaftlich und liebevoll umzusetzen.“

Zu Ihren Kunden zählt als Ikone der Gegenwartskultur u.a. auch der deutsche Rolling Stone. Verraten Sie uns, was aktuell aus Ihren Boxen schallt und in welchem Buch Ihr Lesezeichen liegt?
„Ich habe eine Spotify-Liste „Gute Laune, egal, wer sie macht“: Da kommt alles rein, was ich gut finde: Bilderbuch, Justice, Tokyo Hotel, Miles Davis. Eklektizismus statt Das-ist-cool-und-das-nicht. Nach dem ich auf dem Rolling Stones-Konzert in Hamburg war, höre ich auch die wieder rauf und runter. Und auf dem Nachttisch liegt gerade Dennis Lehanes ‚Ein letzter Drink‘ in einer neuen Übersetzung. Hammer!“

Viele Ihrer Kreationen können auch als Pop-Art gelesen werden. Die Arcimboldi der ALDI-Frischekampagne lassen Kunstkennerschaft vermuten. Wie ist Ihr Zugang zur Kunst?
„Ich habe glücklicherweise durch mein Elternhaus eine sehr frühe Nähe zur Kunst entwickelt; war auf Hunderten von Ausstellungen und Messen. Das schult und ist für mich heute noch große Inspiration. Letzte Woche sah ich auf einem Dreh eine gute Reproduktion von einem riesigen Basquiat und daneben Zeichnungen von Dieter Roth und Arnulf Rainer. Da kann man sich einfach nur verneigen.

Beuys, Richter, Polke, aber auch Matisse und Caravaggio: Wenn andere Modeleisenbahnen sammeln, sammele ich deren Bilder im Kopf.“

Der Dieselskandal dürfte Sie wenig jucken. Darf man fragen, welches Gefährt Sie aktuell mit Super betanken?
„Autos sind meine große Leidenschaft, aber ich habe auch noch eine kleine – und die betanke ich nicht mit Super, sondern an der Steckdose: Es ist mein motorisiertes ‚Rotwild‘-Mountain-Bike. Damit heize ich zur Zeit sehr gern durchs Hamburger Umland. Ein geniales Geschoss.“

Sie sind seit über zehn Jahren mit zwei deutschen Ablegern der Miami Ad School sehr erfolgreich. Wer hat Chancen auf Aufnahme? Was steht auf dem Stundenplan?
„Jeder hat bei uns eine Chance. Denn unser Motto lautet: Du musst nicht gut sein, wir machen Dich gut. Und auch hier gibt uns der Erfolg recht: seit Jahren sind wir die Schule, deren Schüler in Deutschland die meisten Kreativpreise gewinnt. Das liegt daran, dass wir unseren Lehrplan immer auf die aktuellen Bedürfnisse ausrichten und voll auf Digitalisierung setzen. Deshalb sind wir auch dieses Jahr wieder ‚Schule des Jahres‘ beim Art Directors Club geworden.“

Was kann Ihnen kreative Flügel verleihen?
„Ein knappes Briefing. Und eine knappe Deadline.“ 

Was müsste passieren, damit Oliver Voss wieder im Schatten des Kölner Doms arbeitet?
„Der Schatten des Doms ist lang. Er reicht bis nach Hamburg. Ich glaube, wer als Kind den Dom gesehen hat, der weiß: Menschen können Unglaubliches schaffen. Das prägt. Oder wie es ein russischer Autor mal gesagt hat: „Alles, was denkbar ist, ist irgendwann machbar.“ Alles ist möglich und wenn Du an etwas glaubst, dann gib nie auf. Das ist der Spirit, der mich antreibt und solche Ideen wie die ‚Badende in der Alster‘ möglich gemacht hat. Das verdanke ich Köln. Und dem Schatten des Doms.“

Badenixe Oliver Voss

Badenixe – Oliver Voss

www.olivervoss.com

Herr Voss, Danke, dass Sie Zeit für uns hatten!