Hochschulen für Gestaltung im Porträt

Industrielles Produkt-Design – Fontys University of Applied Sciences

An dieser Stelle stellt der DESIGNBOTE in loser Folge deutsche und ausländische Hochschulen vor, die ein Designstudium anbieten.
In kurzen Interviews kommen Studenten und Lehrende zu Wort, es werden die Studienbedingungen, die technische Ausstattung und die Finanzierung beleuchtet. Auch Methodik, Philosophie und Lebensqualität kommen zur Sprache. Zum Start der Reihe riskiert der DESIGNBOTE einen Blick über die niederländische Grenze zu Nordrhein-Westfalen und hat am Sonntag 22. Januar 2017 den ‚Open Dag‘ des ‚Fontys international Campus‘ in Venlo besucht.

Kreativität kennt keine Grenzen, das war unser erster Eindruck als wir uns dem Komplex mit dem Charme der sechziger Jahre, nicht weit vom Ufer der Maas näherten. Obwohl wir uns kaum zwei Kilometer westlich der deutschen Grenze befanden, hatten wir so viele deutsche Nummernschilder nicht erwartet. Im Foyer herrschte lebhaftes Treiben, wir hören Deutsch und Niederländisch. Freundlich lächelnde Studenten in Fontys-T-Shirts verteilten Info-Flyer des privatwirtschaftlich geführten Bildungskonzerns, der in den Niederlanden mit über 43.000 Studierenden und 135 Bachelor- und Master-Programmen zu einem der größten Hochschulbetreibern zählt.
Interessant ist, dass es keine Aufnahmeprüfungen gibt. Nur die auch in Deutschland üblichen Zugangsvoraussetzungen sind zu erfüllen.
http://fontysvenlo.nl/de/anmeldung/zulassungsvoraussetzungen/

Wer bereit und in der Lage ist, die jährlichen Schulgebühren von 2006,-€ für EU-Bürger bzw. 6000,-€ für Nicht-EU-Bürger pro Schuljahr zu bezahlen, der/ die dürfte so stark motiviert sein, dass einem Studienstart nichts mehr im Wege steht. Statt einer Aufnahmeprüfung kann es lediglich irgendwann mal zu einem Beratungsgespräch kommen, bei dem die Chancen eines erfolgreichen Abschlusses erörtert werden.
http://fontysvenlo.nl/de/anmeldung/studiengebuehren/

Ein Fontys-Studium kann übrigens auch mit dem deutschen Bafög gefördert werden:
„Die höheren Förderungssätze bei einer beim Studieren in Holland (oder generell beim Studium im Ausland) können dazu führen, dass auch solche Auszubildende während eines Ausbildungsaufenthaltes im Ausland gefördert werden können, die im Inland wegen der Höhe des Einkommens ihrer Eltern keine Förderung erhalten.“
Quelle: http://www.studieren-in-holland.de/2,1,finanzierung.html

Wer den Sprung in ein vierjähriges Designstudium im südniederländischen Venlo wagt bekommt für sein Geld eine Menge geboten und wird positiv überrascht sein von der technischen Ausstattung wie auch von Engagement und Qualifikation der Dozenten.
Mechatronik, Konstruktion, Material- und Maschinenkunde, Modell- und Prototypenbau, manuelles und computergestütztes technisches und Entwurfszeichnen sowie die nötige Technologie werden intensiv in Theorie und Praxis vermittelt. Immer getreu dem Motto: ‚Slimpel‘, sollen idealen Lösungen sowohl ’slim‘ (ndl.: ’schlau‘) wie auch ’simpel‘ (ndl.: einfach) sein.
http://fontysvenlo.nl/de/ipo/inhalte-aufbau/

Fertige Lampenmodelle nach Vorstudien aus Hartschaum: Schäume werden Träume

Erste Bekanntschaft mit der Mechatronik: Automodell mit Sensorik

Beeindruckender Maschinenpark: D.I.Y.- Flaschenöffner auf Drehbank

Im 3. Semester ausgeknobelt: Kreativer Materialmix 10 x 10 x 10 cm

Die Vorlesungen finden in Gruppen von ca. 25 Studierenden statt, sogenannte Schullaufbahnbegleiter begleiten während des gesamten Studiums die persönliche und fachliche Entwicklung der Studierenden. Weil in Deutsch, Englisch und Niederländisch unterrichtet wird, werden Sprachkenntnisse ganz organisch aufgebaut. Beruhigend zu wissen: Es darf in der jeweiligen Wunschsprache präsentiert, verschriftlicht und vorgetragen werden.
http://fontysvenlo.nl/de/ipo/

Das Studium umfasst u.a. auch zwei sechsmonatige Praktika (im 5. und 8. Semester) in einem der zahlreichen Partnerunternehmen der Hochschule. Als Lohn für das interdisziplinäre Studium mit hohem Anteil an Praxis- und Ingenieurwissen dürfen sich stolze Fontys-Absolventen zum krönenden Abschluss einen ‚Bachelor of Science‘ einrahmen. Zusammen mit den multikulturellen sozialen und fremdsprachlichen Skills und den bei den Industriepraktika geknüpften Kontakten dürfte dieser Abschluss dem ‚Bachelor of Arts‘ die Aussichten auf einen interessanten Job, insbesondere im Ausland, erheblich steigern.

Wir sprachen mit Dozent Remko Killaars/ Fontys Hogescholen, Venlo

Was ist für Sie der USP der Fontys International Campus Venlo?
In den Niederlanden studieren ist anders als in Deutschland. Hier herrscht eine anheimelnde Atmosphäre, der er die Dozenten immer leicht erreichbar sind. Für das Studium Industrielles Produkt-Design gilt, dass es – anders als beim Bachelor of Arts – stark mit den technischen Aspekten verlinkt und damit sehr anwendungsorientiert ist. Oft produziert man die Dinge die man entwirft auch selbst.

Wie beurteilen Sie die soziale Integration der deutschen Studenten?
Wir mischen ganz bewusst die deutschen und die niederländischen Studenten in den Vorlesungen und Projekten, damit sie sich besser kennenlernen. Wir beobachten, dass so eine gute soziale Integration zustandekommt.

Wie viele Dozenten unterrichten im Fachbereich ‚Industrielles Produktdesign‘ welche Fächer?
Das Team der Unterrichtenden in den Studiendisziplinen Maschinenbau und Industrielles Produkt-Design umfasst etwa 30 Personen. Jeder Dozent betreut, meist in Zusammenarbeit mit einem Kollegen, mehrere ‚Module‘.

Sie gelten als versierter Entwurfszeichner. Wie wichtig ist in Zeiten der totalen Digitalisierung das manuelle Entwurfszeichnen?
Das Freihandzeichnen ist die Basis. Wenn man die beherrscht, dann kann man die digitalen Mittel einsetzen um ein höheres Niveau zu erreichen. Vor allem im frühen Entwurfsprozess ist es wichtig, mittels Handskizzen seine Idee festzuhalten und zu präsentieren.

Wie viel Prozent macht das (technische) Engineering beim Industrial Design-Studium aus?
Diese Frage müsste man detaillierter stellen, um sie beantworten zu können. Denn das ‚Engineering‘ ist natürlich eng verwoben mit der Berufspraxis eines Industriellen Entwerfers. Wenn man von den Lehrleitlinien ausgeht, dann könnte man sagen, dass Engineering‘ im ersten Studienjahr etwa die Hälfte, im zweiten Jahr etwa ein Drittel ausmacht.

Ist Ergonomie noch so wichtig wie in den analogen Siebziger- und Achtziger-Jahren? Mein Eindruck: Die Digitalisierung integriert immer mehr Funktionalitäten und macht die Oberflächen ’nichts sagend‘ und glatt.
Ergonomie ist immer noch genau so wichtig wie damals. So lange wir mit Produkten zu tun haben, die von Menschen genutzt werden, wird das auch so bleiben. Die Schwerpunkte innerhalb der Ergonomie können sich allerdings sehr wohl verschieben. So werden die Perzeptuelle Ergonomie und das User Interface Design immer wichtiger.

Wie hilft die Fontys ihren Studenten in die Welt der Praxis? Wie intensiv sind die Kontakte in die Industrie? Wie viele Praxissemester sind zu absolvieren?
Innerhalb des Studiums werden zwei Semester in einer Firma absolviert. Ein Praktikum nach dem zweiten Studienjahr und eines nach dem letzten Semester. Außerdem finden auch Projekte statt in Kooperation mir der Wirtschaft, wie z.B. das ‚vierdejaars project‘, das in Kooperation mit bzw. im Auftrag von der Firma Canon durchgeführt wurde.

Wie wichtig sind Niederländisch-Kenntnisse für Fontys-Studenten?
In welchen Sprachen wird gelehrt?
Der Unterricht findet vorwiegend auf Niederländisch statt. Aber die Studenten dürfen auch in ihren Muttersprachen präsentieren und ihre Berichte in Niederländisch, Deutsch oder Englisch verfassen. Die meisten Dozenten sprechen ausgezeichnet Deutsch, weshalb es bei Fragen keine Probleme gibt. Natürlich ist eine offene Haltung gegenüber dem Erwerb des Niederländischen auch wichtig.

Welche Möglichkeiten für den Modellbau bietet die Fontys?
Unser Studiengang verfügt über umfangreiche Werkstätten, und das sowohl konventionell als auch computergesteuert (CNC) haben wir unseren Studenten viel zu bieten. Es gibt eine Metallwerkstatt, eine Holz- und eine Kunststoffwerkstatt und eine für Modellbau inklusiv 3D-Printern.
Weil wir Machbarkeit ganz groß schreiben, werden unsere Studenten auch oft Modelle und Prototypen bauen.

Ist das Fontys-Studium in acht Semestern zu schaffen?
Ich denke, das ist machbar.

Auf welchen Aspekt wird beim Studiengang Industrial Design der größte Wert gelegt?
Die Ausbildung wird von der Gestaltungsphilosophie ’slimpel‘ geleitet. Unter dem Leitgedanken der Machbarkeit entwerfen und produzieren wir ’slim‘, also schlau und ’simpel‘, also einfach.

Dazu ein TEDx-Talk von Remko Killaars:

Wie sehen Sie aktuell die Jobchancen für Ihre Absolventen?
Für Firmen ist es sehr wertvoll, dass unsere Entwerfer auch technisch umfassend ausgebildet sind. Deshalb sind die Berufsaussichten meiner Meinung nach gut, wie übrigens meistens im technischen Sektor. Die Fontys-Ausbildung und die Kompetenzen unserer Absolventen könnten allerdings in der Wirtschaft noch etwas bekannter sein. Viele Studenten bekommen ein Jobangebot in der Firma in der sie ihr Abschlussprojekt realisiert haben. Manche Absolventen studieren aber auch weiter.

Herr Killaars, vielen Dank für das Gespräch!

Factsheet Industrielles Produkt-Design/ Deutsch

http://fontysvenlo.nl/de/wp-content/uploads/sites/8/2016/10/2017_ONLINE_IPO.pdf
http://fontysvenlo.nl/de/uber-fontys/
https://de.wikipedia.org/wiki/Fontys

 

Lesen Sie auch: Studieren an der ‚Fontys‘. Ein Interview mit Alina Kaiser