Mit der Interviewserie „Designer fragt Designer“ möchten wir auf ganz konkrete Fragen zum Alltag von Designern eingehen. Interviews und Erfolgsgeschichten mit Agenturleitern und Design-Choryphäen sind immer sehr schön zu lesen, doch spiegeln sie in der Regel nicht den Alltag der breiten Design-Masse wider. Daher geht unser freier DESIGNBOTE Redakteur Julien Fincker auf ganz normale Designer zu, die täglich die gleichen Erfolge feiern und die gleichen Kämpfe austragen, wie wir alle.

Als Gemeinschaft ist es wichtig, sich auszutauschen und voneinander zu lernen. Ganz unter dem Motto „Sharing is caring“ haben wir also Designer zu ganz bestimmten Themen und Situationen befragt und nachgehakt wie sie mit diesen bestimmten Themen und Situationen im Alltag umgehen.

Über den Tellerrand zu schauen ist prinzipiell eine sehr wichtige Eigenschaft. Gerade für Designer ist es wichtig, für neue Einflüsse offen zu sein und sich in neue Themen einzuarbeiten. Man kennt es aus dem Alltag – neue Kunden, neue Themen, und immer ist man up-to-date. Unser Job kann sehr anspruchsvoll sein, und selbstverständlich fällt es einem auch manchmal schwer aus der eigenen Comfort-Zone auszubrechen. Das ist nur natürlich. Viele Kreative benötigen jedoch auch parallel zu ihrem Job ihren kreativen Output und widmen sich ganz anderen gestalterischen Themen. Marc Lohner zum Beispiel ist hauptberuflich Grafik-Designer in einer Agentur, und widmet sich nebenberuflich dem Typedesign, und das auch relativ erfolgreich. Doch wie arbeitet man sich nebenberuflich in neue Themenfelder ein, woher nimmt man die Zeit dafür und hat es auch einen Einfluss auf den eigentlichen Job? Ich wollte genaueres wissen, und deshalb habe ich ein paar Fragen an ihn:

Du bist hauptberuflich als Grafiker angestellt, und machst nebenberuflich Typedesign. Wie bist Du dazu gekommen? Was hat Dich daran fasziniert?

Ich war früher am Wochenende öfter als DJ unterwegs – ein toller und kreativer Ausgleich zu meinem grafischen Beruf. Das Publikum wurde im Laufe der Jahre jedoch immer mainstreamiger, was mir mehr und mehr den Reiz an der Sache nahm. Da musste was Neues her! Ich versuchte mich in verschiedenen visuellen Disziplinen wie Fotografie, Illustration und Icondesign, und letzteres führte mich aufgrund der Gemeinsamkeiten mit Typedesign letztlich zum Zeichnen von Buchstaben. Das passte einfach gut zu mir: Auch früher war ich schon fasziniert von der starken Wirkung, die manche Schriften entfalten. Diese simplen Formen, die auch ohne Farbe oder Effekte so stark wirken können. Ich verbrachte dann viel Zeit auf Schriften-Websites und versuchte herauszufinden, wie Fonts gestaltet und produziert werden. Nach einigen Gehversuchen, die unter anderem zum Freefont „Pan Pizza“ führten, kam dann das erste „richtige“ Release „Quenda“ zustande. Seitdem bewege ich mich ganz bewusst in verschiedenen Schriften-Genres – immer nur ein Genre zu bedienen, empfände ich als eintönig. Eine starke Wirkung der Schriften zieht sich jedoch als roter Faden durch meine Arbeit. In meinem Dayjob als Grafiker nutze ich sehr oft nüchterne Fonts, als Typedesigner habe ich aber mehr Spaß an extrovertierten Designs.

Inwiefern hat die Nebentätigkeit Dich in Deinem Beruf beeinflusst? Findest Du es als Gestalter wichtig, sich auch in anderen gestalterischen Bereichen auszuprobieren?

Sich auch noch anderweitig „auszutoben“, ist immer eine gute Idee. Kollegen von mir fotografieren, zeichnen, illustrieren, blicken so über den Tellerrand und bringen die neuen Kenntnisse dann auch wieder in ihren Hauptjob ein. Ähnlich läuft es auch bei mir selbst. Als Schriftgestalter habe ich natürlich ein verhältnismäßig gutes Auge bzw. Gespür für Typografie und kann mit Wissen, über beispielsweise Opentype-Features, typografisch noch mehr „rausholen“. Auch geht man an die Aufgabe, eine passende Schrift für ein Projekt zu finden, professioneller heran. Ein Font, der vielleicht weniger gut gezeichnet ist oder ein ungleichmäßiges Spacing aufweist, kommt einem so nicht mehr so leicht unter. Sich mit dem Thema Typografie zu beschäftigen, kann ich nur jedem Gestalter ans Herz legen. Auch, wenn keine Intention besteht, in diesem Feld selbst aktiv zu werden.

Wie hast du dich in das neue Thema eingearbeitet? Wo und wie hast du Dir das Basiswissen angelernt?

Es gibt da ein paar entsprechende Hilfestellungen in Form von Büchern, wie zum Beispiel „Anatomie der Buchstaben“ und „Making Fonts“ und im Netz zum Beispiel von Underware. Aber das eigentliche „Handwerk“ lernt man am besten nach dem Learning-by-Doing-Prinzip – einfach loslegen und sehen, wie weit man kommt! Wenn die Faszination für das Thema Typografie groß genug ist, dann schafft man es auch durch die schwierige Anfangszeit. Die allerersten Versuche in Sachen Buchstaben fanden bei mir übrigens in Illustrator statt. Ich schätze, das geht anderen genauso. Auf eine Typedesign-Software lässt sich danach immer noch umsteigen.

Interessierst Du Dich auch für weitere Bereiche oder konzentrierst Du Dich aufs Typedesign?

Vor dem Typedesign war ich auch schon in anderen kreativen Feldern unterwegs, stellte aber mit der Zeit fest, dass mich die Typografie am meisten fesselt. Natürlich bleiben aber auch andere kreative Bereiche für mich interessant. Sehr spannend finde ich zum Beispiel 3D(-Animationen), auf Insta gibt’s da unheimlich spannende Projekte zu bewundern. Da ich schon froh bin, unter der Woche noch Zeit für’s Typedesign zu finden, reicht meine Zeit leider nicht aus, um mich in diesen Bereich reinzufuchsen. Sonst hätte ich vielleicht schon eine Cinema 4D- oder Maya-Lizenz gekauft.

A propos Zeit. Typedesign ist ein sehr umfangreiches Thema. Wie und wann findest Du – neben Job, Familie und Haushalt – die Zeit fürs Typedesignen?

In der letzten Zeit leider fast gar nicht, da stand ein Umzug an – aber jetzt geht’s zum Glück langsam wieder los! Meine Arbeitswoche ist nur 36 Stunden lang, da findet sich entsprechend oft abends noch die Zeit für Typedesign, wenn auch begrenzt. Und am Wochenende ist natürlich ebenfalls Zeit vorhanden. Es ist aber auch einfach eine Frage der Prioritäten, bzw. wie stark man für das Thema Type brennt und es anderen Dingen vorzieht. Generell kommt man mit seinen Schrift-Projekten als Freizeit-Designer im Vergleich zu Vollzeit-Typedesignern in nur kleinen Schritten voran. Sehr komplexe und somit zeitaufwändige Projekte sind entsprechend schwierig zu realisieren.

Deine Schriften hatten bisher einen guten Erfolg. Unter anderem sieht man Deine Quenda auf der Kindernahrungsverpackung eines großen Drogeriemarktes. Was war es für ein Gefühl, Deine Schrift erstmals in freier Wildbahn zu sehen?

Das ist für jeden Typedesigner ein tolles und belohnendes Gefühl. Eine Schrift zu gestalten, ist mit einem unglaublichen Zeitaufwand verbunden – und es ist eine schöne Bestätigung der eigenen Arbeit, wenn andere Gestalter mit deinem Font etwas Neues erschaffen. Und auch, wie sie mit der Schrift umgehen und in welchem Kontext sie sie einsetzen, ist oft interessant zu sehen.

Wie geht es für Dich weiter? Gibt es bald etwas neues von Dir zu erwarten?

Ja, ich arbeite seit geraumer Zeit an einer scharfkantigen Serifenschrift. Mit dem Release rechne ich 2020. Und auch sonst gibt es so viele Ideen und Genres, die ich gerne noch ausprobieren würde. Immer, wenn ich eine neue Idee habe, zeichne ich direkt ein paar Buchstaben, um den Einfall festzuhalten. So ist dann am Ende eines Projekts oft schon klar, was als nächstes kommen soll.

Vielen Dank für das Interview Marc. Wir wünschen Dir weiterhin viel Erfolg und freuen uns auf den Release Deiner scharfen Serifenschrift!

Weitere Informationen zu Marc Lohner findet man unter:

http://marc-lohner.com/
https://www.myfonts.com/person/Marc_Lohner/

Weitere Artikel aus unserer Serie „Designer fragt Designer“:
DESIGNBOTE – Sich als Designer selbstständig zu machen

DESIGNBOTE – Schrift spricht

DESIGNBOTE – Type Community